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Neue Herausforderungen für die Vereinten Nationen durch "America First"

Nach seiner Wahl zum US-Präsidenten hatte Donald Trump große Veränderungen in Hinblick auf die Vereinten Nationen angekündigt. In seinem ersten Amtsjahr blieb der ganz große Bruch jedoch aus. Mit den jüngsten Personalentscheidungen für das Amt des Außenministers und des Nationalen Sicherheitsberaters werden die USA nun mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Haltung gegenüber Iran und Nordkorea verschärfen. Es drohen weitere Budgetkürzungen. Welche VN-Politik haben die USA im ersten Amtsjahr von Präsident Trump verfolgt und was könnte sich jetzt ändern?

Nahaufnahme von Donald Trump.
US-Präsident Trump bei einem vom UN-Generalsekretär ausgerichteten Staatsdinner. (UN Photo/Rick Bajornas)

In der US-amerikanischen Außenpolitik hat sich ein grundlegender Wandel vollzogen: "America First" und "Pittsburgh statt Paris" lauten die neue Leitmotive der Politik im Weißen Haus. Die neue US-Administration stellt die regelbasierte Weltordnung und multilaterale Zusammenarbeit zunehmend in Frage, aus ihrer Sicht „unfaire“ Abkommen und Verträge sollen aufgekündigt oder zumindest neuverhandelt werden. Die außenpolitische Ausrichtung von Präsident Donald J. Trump gilt als dem politischen Realismus sehr nah, machiavellistisch und transaktional. „America First“ betont die Eigenständigkeit der USA: Trump befürchtet, dass die USA ihre Souveränität opfern, wenn sie einer internationalen Organisation oder einem Vertrag beitreten. Diese neue außenpolitische Ausrichtung macht sich auch gegenüber den Vereinten Nationen (UN) bemerkbar. Schon während seines Wahlkampfs erklärte Trump, die UN seien kein Freund von Demokratie und kurz nach der Wahl nannte er die UN einen Club, in dem man nur zusammenkäme, um eine gute Zeit zu haben. In seinem ersten Amtsjahr blieb die US-Politik bei den Vereinten Nationen ambivalent.

Ausgewählte Ereignisse 2017

  • Juni: Kritik am UN-Menschenrechtsrat, Drohung, dort auszutreten
  • August: Ankündigung des Austritts aus dem Pariser Klimaabkommen (Ausstieg wird 2020, also nach der nächsten Präsidentschaftswahl erfolgen)
  • Oktober: Bekanntgabe Austritt aus UNESCO
  • Dezember: Ankündigung, sich nicht mehr an der Ausarbeitung des globalen Pakts für Flucht und Migration zu beteiligen
  • Dezember: erstes Veto der USA seit 6 Jahren: Streit im Sicherheitsrat um Verlegung der US-Botschaft nach Israel

UN-Politik im ersten Amtsjahr

So drohten Trump und Botschafterin Nikki Haley in den ersten Monaten seiner Amtszeit starke Kürzungen der US-Beiträge zum Peacekeeping-Budget sowie bei den freiwilligen Beiträgen zu UN-Programmen und Organisationen - wie beispielsweise UNICEF - an. Im Dezember brüstete sich die US-Regierung damit, erhebliche Kürzungen des Zwei-Jahres-Haushaltsplans der Vereinten Nationen ausgehandelt zu haben. So wurde der Haushalt 2018/19 um mehr als 285 Millionen US-Dollar gekürzt.

Aus dem ersten Amtsjahr von Präsident Trump wird besonders seine vielbeachtete Rede vor der Generalversammlung im Gedächtnis bleiben. Journalist und UN-Experte Jan Dirk Herbermann attestierte Donald Trump nach dessen Rede im September „Freund-Feind-Denken“ und betonte, dass die „Wutrede des US-Präsidenten, in der er einem anderen UN-Mitgliedsland, Nordkorea, mit der totalen Zerstörung drohte, (…) nicht zum Geist der Vereinten Nationen passt, in denen mühsam Kompromisse gesucht werden müssen”. Trump nutzte die Gelegenheit, um „America First“ und dabei insbesondere die Souveränität seines Landes zu betonen – insgesamt wurde das Wort 21 Mal in seiner Rede verwendet. Da verwunderte die Nachricht fast, dass Präsident Trump kurz darauf UN-Generalsekretär António Guterres im Weißen Haus empfing und anschließend den Tag der Vereinten Nationen am 24. Oktober (Tag des Inkrafttretens der UN-Charta) per Dekret als Gedenktag in den Vereinigten Staaten einführte.

Botschafterin Nikki Haley und die Vereinten Nationen

In ihrer Bewerbungsrede vor dem Senat für die Position als UN-Botschafterin fasste Nikki Haley, die ehemalige Gouverneurin von South Carolina, ihre Ziele so zusammen: „Mein Ziel für die Vereinten Nationen wird es sein, ein internationales Gremium zu schaffen, das den Interessen des amerikanischen Volkes besser dient.” Sie schaffte es, relativ unabhängig von Präsident Trump amerikanische Interessen bei den Vereinten Nationen zu vertreten und verhandelte vor Amtsantritt, dass sie als UN-Botschafterin Teil des US-Kabinetts und des Nationalen Sicherheitsrats ist. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist sie die erste republikanische UN-Botschafterin mit Kabinettsrang. Ihre dezidierte pro-Israelische Haltung gibt ihr Rückhalt in der Bevölkerung. Inzwischen wird offen gemutmaßt, dass sie auch Ambitionen auf das Präsidentenamt besitzt. Als ihr bisher größter Erfolg bei den Vereinten Nationen gelten ihre Verhandlungen mit China und Russland, nachdem wiederholt Raketentests durch Nordkorea bekannt worden waren. Einstimmig konnten daraufhin neue Sanktionen gegen Nordkorea im Sicherheitsrat verhängt werden.

Kernforderung Reformen

Die sichtbarste Forderung der Vereinigten Staaten gegenüber den Vereinten Nationen betrifft pragmatische Reformen für mehr Effektivität. Da auch Guterres vielfältige Reformen zur Priorität seiner Amtszeit gemacht hat, stimmen Nikki Haley und der Generalsekretär sogar in vielen technischen Fragen überein.  Besonders deutlich wird dies bei Aspekten der Managementreform und bei der Reform des UN-Entwicklungssystems, wie der amerikanische Wissenschaftler Richard Gowan betont.

Die von den USA angemahnten Reformen für effizientere Strukturen und Mechanismen der Entscheidungsfindung ebenso wie die Evaluierung von Friedensmissionen sind grundsätzlich zu begrüßen. Auch Peter Rudolf (Stiftung Wissenschaft und Politik) erklärt: „Nicht alle kritischen Fragen, die die Trump-Administration stellt, können als Ausfluss einer fundamentalen Antipathie gegenüber den UN im Allgemeinen und dem Peacekeeping im Besonderen abgetan werden."

Dieser Reformwillen von Seiten einer republikanischen US-Administration ist nicht neu: Bereits unter UN-Botschafter John Bolton in den Jahren 2005-2006 gab es eine große Debatte um die Zukunft der Vereinten Nationen und ihre Reformbedürftigkeit. Auch damals wurde „in erster Linie eine Reform der Finanzierung und des Managements“ und mehr Evaluierungen des Peacekeeping gefordert, wie US-Experte Josef Braml erläutert.

Neue Personalentscheidungen, neue Herausforderungen

Nachdem Außenminister Rex Tillerson entlassen wurde (Nachfolger ist der ehemalige CIA-Direktor Mike Pompeo) und der Nationale Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster durch den Hardliner John Bolton ersetzt wird, könnte auch die UN-Politik der USA neu ausgerichtet werden.

Experten gehen davon aus, dass nun insbesondere der Ausstieg der USA aus dem Iran-Abkommen zügiger vorangetrieben wird. Da die Veto-Mächte Großbritannien und Frankreich aber am Abkommen festhalten und Russland sicherlich jede Resolution gegen Iran mit einem Veto verhindern würde, könnte sich eine handfeste Krise im Sicherheitsrat zu dieser Frage entwickeln. Auch ein Streit über das Thema Nordkorea im Sicherheitsrat könnte laut Richard Gowan „die Beziehungen zwischen den USA und den Vereinten Nationen untergraben und uns in eine Situation zurückversetzen, die mit 2003 und dem Irak-Krieg vergleichbar ist, in dem die USA und die Vereinten Nationen zutiefst gespalten waren“.

Der designierte Nationale Sicherheitsberater John Bolton war unter Präsident George W. Bush US-Botschafter bei den Vereinten Nationen. Mark Leon Goldberg, Direktor Webseite UN Dispatch, welche unabhängige Analysen zur Arbeit der UN veröffentlicht, charakterisiert Bolton als Falken, der bei den Vereinten Nationen die Sicht der internationalen Beziehungen als Nullsummenspiel vertrat: „Gewinne anderer Länder – egal wie unbedeutend – waren folglich Amerikas Verluste. Das veränderte traditionelle Bündnisse in den UN. Typischerweise hätten sich die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Verbündeten in Verhandlungen zusammengeschlossen, bei denen sie gemeinsame Interessen besitzen. Aber Bolton war nie bereit, auf die anderen zuzugehen und Kompromisse zu akzeptieren, die von amerikanischen Verbündeten vorgeschlagen wurden“.

Josef Braml hält es für wahrscheinlich, „dass Bolton den rabiaten Abbau der Vereinten Nationen weiter vorantreiben wird. Er hat noch eine Rechnung offen. Die USA zahlen 22 Prozent des UN-Budgets.” Bolton könnte dies nutzen, um  über Nikki Haley und Mike Pompeo Druck auf die Vereinten Nationen auszuüben um diese „drastisch und endgültig zu schwächen“.

Richard Gowan befürchtet, dass sich das Team um Trump in seinem nunmehr zweiten Amtsjahr für eine sehr viel ernstere Attacke auf das internationale System positioniert. Dies könnte ihm zufolge beinhalten, dass der Sicherheitsrat häufiger blockiert werde, die USA ihre Beiträge kürzen würden und aus mehr UN-Organisationen austreten würden.

Ausblick

Die UN-Politik der Vereinigten Staaten von Amerika bleibt im Zeitalter von „America First” unvorhersehbar. Während vor Trumps Amtsantrifft noch zu hoffen war, dass man sich Trumps Geschäftssinn auch zu Nutzen machen könnte – wie der ehemalige Stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson im Herbst 2016 erklärt hat, könnten die USA Geld, Zeit und Planung durch ihre Unterstützung von UN-Friedensmissionen sparen, da sie somit nicht selbst in die Konflikte eingreifen müssten – scheint die Trump-Administration jedoch nicht vor Budgetkürzungen zurückzuschrecken und wäre sogar bereit, aus dem UN-Menschenrechtsrat auszutreten. Dies wurde erst am Freitag wieder angedroht.

Die Stimmen mehren sich, dass das erste Jahr der Trump-Administration noch das harmloseste Jahr gewesen sein könnte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit könnten die Diskussionen um das Iran-Abkommen und den richtigen Umgang mit Nordkorea zur Belastungsprobe für den Sicherheitsrat werden.

Trotz alledem sollten die westlichen Partner der USA die Gesprächskanäle offen halten und dabei immer wieder die Wichtigkeit der regelbasierten internationalen Ordnung betonen. Dabei sollten sinnvolle Reformen zur Stärkung von Effektivität und Legitimation der Vereinten Nationen aktiv unterstützt werden. So schlägt Josef Braml beispielsweise vor, dass deutsche Politik „im Blick auf einen effektiven Multilateralismus deshalb pragmatisch jene US-Reforminitiativen unterstützen [sollte], die im gemeinsamen transatlantischen Interesse liegen“. Sollte Deutschland im Juni erfolgreich für 2019 und 2020 als nicht-ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat gewählt werden, bestünde dort auch die Möglichkeit, noch enger mit der US-Vertretung bei den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten und die Wichtigkeit eines multilateralen Ansatzes noch häufiger im transatlantischen Austausch zu unterstreichen.

 

Text von Inger-Luise Heilmann

Der Text spiegelt die persönliche Meinung der Autorin wider.