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Verfolgte Rohingya: Lage in Myanmar eskaliert

Die muslimischen Rohingya leben am Rande der Gesellschaft. Im buddhistisch geprägten Myanmar leiden sie seit Jahrzehnten unter Verfolgung und Unterdrückung. Derzeit eskaliert die Lage erneut.

Auf dem Bild sind Kinder zu sehen, die sich auf einem kleinen staubigen Gang in einem Flüchtlingscamp aufhalten.
Rohingya in einem Flüchtlingscamp in der Grenzregion Cox's Bazar in Bangladesch. (UN Photo/Saiful Huq Omi)

Nach schweren Kämpfen sind laut UNHCR-Angaben mehr als 370.000 Rohingya aus Myanmar ins benachbarte Bangladesch geflohen. Diejenigen, die im Bundesstaat Rakhine zurückgeblieben sind, könnten nun Opfer einer brutalen Militäroperation werden.
 

Wer sind die Rohingya?

Die muslimische Bevölkerungsgruppe der Rohingya gehört weltweit zu den am stärksten diskriminierten Minderheiten. Etwa eine Million von ihnen leben im Vielvölkerstaat Myanmar (ehemals Burma) – die meisten im nordwestlich gelegenen Bundesstaat Rakhine. Gemäß des Staatsbürgerschaftsgesetzes von 1982 werden die Rohingya nicht als eine der einheimischen Bevölkerungsgruppen anerkannt. Somit haben sie keinen Anspruch auf die myanmarische Staatsbürgerschaft. Als Staatenlose verfügen sie über keinerlei Rechte und sind zahlreichen Repressionen ausgesetzt: Unter anderem dürfen sie nicht wählen, haben keinen Zugang zu höherer Bildung und ihr Grundbesitz kann beschlagnahmt werden. Eine offizielle Ausreise wird ihnen nicht gestattet und auch innerhalb des Landes gelten für sie Reisebeschränkungen.

UN-Menschenrechtskommissar warnt vor 'ethnische Säuberungen'

Die meisten der in Bangladesch ankommenden Rohingya-Flüchtlinge haben seit Tagen kaum Nahrung zu sich genommen. Sie sind traumatisiert und einige von ihnen sogar verletzt. Ihre Erzählungen von den Gewalttaten im Rakhine-Staat ähneln sich. Und auch der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Zeid Ra’ad Al Hussein verwies bereits auf Satellitenfotos und Berichte, denen zufolge Rohingya-Dörfer niedergebrannt und Exekutionen ohne Prozess durchgeführt werden.

In Genf verurteilte er das Vorgehen Myanmars gegen die Rohingya scharf. Die Art und Weise der Menschenrechtsverletzungen gegenüber der Rohingya erinnere ihn an ein systematisches Vorgehen gegen eine Volksgruppe. Da Myanmar verhindere, dass Vertreter von Menschenrechtsorganisationen in das Land kommen, könne die Lage bisher nicht vollständig beurteilt werden, aber „alles erinnert an ein Lehrbuchbeispiel für eine ethnische Säuberung”. Al Hussein rief die Regierung auf, die brutale Militäroperation zu beenden, die Verantwortung für die Gewalt zu übernehmen sowie die schwere und weit verbreitete Diskriminierung der Rohingya einzustellen. Auch die 15 Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitsrats forderten „sofortige Schritte“ zur Beendigung der Gewalt und einen freien Zugang für humanitäre Hilfsorganisationen nach Rakhine.

Demokratisierungsprozess gab Anlass zur Hoffnung

Aung San Suu Kyi sitzt vor einem Mikrofon und gestikuliert.
Steht wegen ihrer Passivität im Fokus der Kritik: Friedensnobelpreisträgerin und Regierungschefin von Myanmar Aung San Suu Kyi. (UN Photo/Rick Bajornas)

Die aktuellen Entwicklungen werfen auch ein Schlaglicht auf den politischen Transitionsprozess, in dem sich Myanmar befindet. Im Jahr 2010 startete das ehemalige Militärregime die politische Öffnung des Landes in Richtung einer Demokratie. Zwei Jahre später durfte die Partei National League for Democracy (NLD) der oppositionellen Aung San Suu Kyi erstmals teilnehmen. 2015 gewann die NLD deutlich die Parlamentswahlen. Seitdem ist die Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi selbst an der Regierung beteiligt. Dies weckte die Hoffnung auf eine Entspannung des Konflikts zwischen Buddhisten und den muslimischen Rohingya. 

Zunächst sah es auch kurz danach aus. So berief Suu Kyi im Jahr 2016 eine Kommission unter Leitung des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan ein, die Vorschläge für den Rakhine-Staat erarbeitete. Doch nach erneuten Gewaltausbrüchen und politischem Druck aus den anderen Parteien änderte sie den Kurs: Der Etablierung einer UN-Untersuchungskommission wirkte ihre Regierung nun mit der Begründung entgegen, dass eine derartige Mission die Feindseligkeiten zwischen den Gruppen nur vertiefen würde.

Die machtvolle Rolle des Militärs

In der aktuellen Situation bezeichnet Suu Kyi die Rohingya-Rebellengruppe sogar als „Terroristen” und schweigt zu den Vorwürfen gegen die Armee. Zuletzt hat sie ihre geplante Reise zur UN-Vollversammlung nach New York abgesagt.

Wer allerdings die Schuld an der sich abspielenden Tragödie allein bei ihr sucht, verkennt die weiterhin bestehenden Machtverhältnisse in der myanmarischen Politik. Zwar ist Suu Kyi die Regierungschefin, doch haben die Streitkräfte nach wie vor in wichtigen Bereichen das Sagen. Dazu zählt auch die Kontrolle sicherheitsrelevanter Grenzregionen. Sonderrechte für Militärs sind vor allem in der Verfassung festgehalten. Möchte Suu Kyi langfristig erreichen, dass diese geändert wird, braucht sie die Unterstützung der myanmarischen Bevölkerung. Doch diese besteht mehrheitlich aus Buddhisten, die angestachelt durch Radikale, am liebsten nicht mit den muslimischen Rohingya ihr Land teilen würden. 


Maheba Goedeke Tort

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