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Der Mali-Konflikt und die UN

Trotz mehrerer Friedens­abkommen bleiben gewalt­same Aus­einander­setzungen und Anschläge von Terror- und Rebellengruppen traurige Realität in Mali. Im Rahmen der MINUSMA-Mission unterstützten die Vereinten Nationen zwischen 2013 und 2023, das Land zu befrieden. Doch fehlende Reformbereitschaft der Regierung sowie Perspektiv­losigkeit der Bevölkerung erschwerten die Stabilisierung Malis bis zuletzt. Auch heute ist die Lage vor Ort weiterhin kritisch.  

Ein Soldat steht vor drei sitzenden afrikanischen Männern.
Ein Blauhelmsoldat der MINUSMA (UN Photo/Marco Dormino)

Wie entstand der Konflikt?

Mali ist eine ehe­malige französische Kolonie und erhielt seine Un­ab­hängig­keit im Jahr 1960. Die große Mehr­heit der Bevölkerung Malis lebt im Süden des Landes. Schon lange fühlten sich die im Norden lebenden Tuareg von der Regierung un­gleich behandelt. Seit 1963 kam es immer wieder zu Rebellionen durch die Tuareg (1963, 1990, 1994-2000, 2006 und 2012). Sie kritisierten, dass sie von der malischen Regierung marginalisiert würden und forderten weit­gehende Autonomie für ihre Gebiete im nördlichen Teil des Landes. Die Auf­stände brachen zumeist nach Krisen oder in­mitten von Trans­formations­prozessen aus. Nach dem ersten Aufstand 1963 wurde der Norden Malis zunehmend hinten­angestellt. Mehrere Friedens­abkommen sollten die Beziehung zwischen den Tuareg und arabischen Gruppen ver­bessern und die Lage stabilisieren. Allerdings wurde bislang keines der Abkommen erfolgreich umgesetzt.

Konfliktlinien und beteiligte Akteure

Der letzte Aufstand der Tuareg begann im Jahr 2012. Indirekt wurde er durch den Fall des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi begünstigt. Nach dessen Tod kehrten zahl­reiche Tuareg schwer­bewaffnet nach Mali zurück. Die Rebellen besetzten große Gebiete im Norden Malis und setzten dort das Recht der Scharia durch. Die malische Armee reagierte auf die zahl­reichen Nieder­lagen mit einem Putsch gegen den damaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré. Als Haupt­grund für den Putsch wurde die nur un­zu­reichende Bewaffnung der malischen Armee genannt. Das Macht­vakuum, das dem Putsch folgte, gab Tuareg- sowie islamistischen Gruppen die Möglich­keit, weitere Gebiete im Norden Malis zu erobern. Auf Druck der Afrikanischen Union (AU) und der Wirtschafts­gemeinschaft der west­afrika­nischen Staaten (ECOWAS) trat Präsident Touré zurück und eine Übergangs­regierung wurde gebildet. Von 2013 bis 2020 regierte Ibrahim Boubacar Keïta als Präsident Malis. Seine Amtszeit endete im August 2020 durch einen Putsch. ­Im Mai 2021 kam es zu einem erneuten Putsch durch Offizier Assimi Goïta, der daraufhin das Präsidentenamt übernahm. Zwar versprach die Führung eine Rückkehr Malis zur Demokratie, verschob den angekündigten Wahltermin im Herbst 2023 dann jedoch auf unbestimmte Zeit.

Im Mai 2015 wurde ein weiteres Friedens­abkommen geschlossen. Dennoch existieren zahl­reiche Konflikt­herde weiter­hin – vor allem in den nörd­lichen Regionen Malis, die eine erfolgreiche Umsetzung des Abkommens erschwerten. Neben den Tuareg-Rebellen gibt es mittler­weile auch zahl­reiche andere bewaffnete Gruppen. Außer­halb von Stadt­zentren können die nationalen Einsatz­kräfte keine Sicher­heit garantieren. Hier finden verstärkt Drogen­handel, Waffen­schmuggel und Ent­führungen statt. Im Dezember 2022 verkündete eine Koalition bewaffneter Gruppen, sich nicht mehr an das Abkommen binden zu wollen, weil die Militär­regierung sich nicht genügend um Umsetzung bemühe.

Auch die zentral­malischen Regionen um die Städte Mopti und Ségou sind mehr und mehr von ethnisch auf­geladenen Konflikten geprägt, ebenso wie der Süden. Diese Teile Malis wurden im Friedens­abkommen kaum beachtet, leiden aber seit langem unter der Instabilität des Nordens. Hier treten vermehrt islamistisch-fundamentalistische Gruppen in Erscheinung.

Eine Frau mit Blauhelm, Schutzweste und Waffe ist umringt von afrikanischen Kindern.
Polizeieinheit der MINUSMA auf Patrouille in der Stadt Gao (UN Photo/Marco Dormino)

Die Rolle der Internationalen Gemeinschaft

Auf Bitten der damaligen malischen Regierung griff Anfang 2013 zunächst Frankreich in den Konflikt ein. Am 25. April 2013 beschloss der UN-Sicherheitsrat die Resolution 2100 und beauftragte die internationale Gemeinschaft mit der mehrdimensionalen integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (United Nations Multi­dimensional Integrated Stabi­lization Mission in Mali – MINUSMA), den Frieden in Mali zu sichern. Mit zeitweise mehr als 12 000 Blauhelm­soldatinnen und -soldaten war MINUSMA eine der größten Missionen weltweit, aber auch gleichzeitig für das UN-Personal die tödlichste. Zu ihren Haupt­aufgaben gehörten der Schutz der Zivilbevölkerung und die Unterstützung nationaler Sicherheitskräfte. Unterstützt wurden aber unter anderem auch Bildungs-, Ernährungs- oder Gesundheitsprojekte sowie die Instandhaltung verschiedener Infrastrukturen. 

Auch die Bundeswehr war seit 2013 in Mali präsent, um einen Beitrag zur Stabilisierung in der Region zu leisten. Sie engagierte sich logistisch, in der Aufklärung und in der medizinischen Versorgung. Neben ihrem Engagement innerhalb der MINUSMA beteiligte sich die Bundeswehr in Mali auch an der EU-geführten taktischen Ausbildungsmission EUTM

MINUSMA unterstützte auch die Umsetzung des Friedens­abkommens von 2015, ein echter Friedens­prozess existiert jedoch bis heute lediglich auf dem Papier. MINUSMA ist die UN-Mission mit der höchsten Zahl getöteter Einsatzkräfte in den vergangenen Jahrzehnten. Insgesamt verloren 311 Mitarbeitende im Rahmen des Einsatzes ihr Leben.

Die von den Putschisten im Mai 2021 gebildete aktuelle Regierung stand MINUSMA seit jeher äußerst kritisch gegenüber und hat immer wieder den Abzug der Truppen gefordert. Aufgrund der Verschiebung der Wahlen, der zahlreichen Behinderungen durch die malische Militärjunta und des Einsatzes russischer Söldner der Gruppe Wagner zogen Frankreich und weitere Staaten im Jahr 2022 schließlich ihre Truppen ab. Auf Ersuchen der aktuellen malischen Regierung hin beschloss der Sicherheitsrat am 30. Juni 2023 einstimmig, das Mandat der MINUSMA zu beenden und einen geordneten Abzug bis zum Jahresende durchzuführen. Bereits wenige Tage später begann MINUSMA, UN-Personal unter teils kritischen Sicherheitsbedingungen abzuziehen. Mitte Dezember 2023 verließen auch die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr die malischen Einsatzorte, gefolgt von den letzten Blauhelmen. Mit dem 1. Januar 2024 begann letztlich die sogenannte ‚Liquidationsphase‘, in der unter anderem vor Ort verbliebene Ausrüstung an die malischen Behörden übergeben und bestehende Verträge beendet werden sollen. Ein genauer Zeitpunkt für das Ende der ‚Liquidationsphase‘ wurde vom Sicherheitsrat nicht festgelegt. 

Wie ist die aktuelle Lage?

Die Sicherheitslage in Mali bleibt weiterhin kritisch; besonders im Norden und im Zentrum des Landes kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinander­setzungen und Angriffen, auch in ländlichen Gegenden. Trotz der Präsenz der UN-Friedenstruppen, die in den letzten zehn Jahren als Puffer zwischen den malischen Konfliktparteien gewirkt hatten, hat sich der Einfluss­bereich der Terror- und Rebellengruppen vor Ort nicht verringert, sondern eher ausgeweitet. Dies lässt sich nicht zuletzt auf die Perspektivlosigkeit und Armut der malischen Bevölkerung zurückführen, die vor allem junge Menschen dazu verleitet, sich mit der Aussicht auf schnelles Geld einer Rebellengruppe anzu­schließen. Diese Proble­matiken konnten nur sehr bedingt vom internationalen Personal bekämpft werden. Daneben setzt die aktuelle malische Regierung verstärkt auf die Zusammenarbeit mit der russischen Gruppe Wagner, deren Söldner die Regierungs­truppen unterstützen und dabei teils massive Menschenrechtsverletzungen begehen. 

Es besteht kein Zweifel, dass die gegenwärtige Welle der Gewalt in Mali unmittelbar mit dem Rückzug der UN-Truppen zusammenhängt. Ein bezeichnendes Beispiel ist die Übergabe eines Lagers in der Region Timbuktu durch die MINUSMA an die malische Armee im August 2023, nach der nur wenige Tage vergingen, bis dort Kämpfe ausbrachen. Die deutsche Bundes­regierung hatte bereits im Vorfeld des vollständigen Abzugs von MINUSMA damit gerechnet, dass sich die Lage vor allem im Großraum um die Stadt Gao nochmals verschärfen würde. Obwohl der Einsatz der UN in Mali abgeschlossen ist, ist ein echter Friedensprozess derzeit nicht in Sicht.