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Drohnen und KI im Einsatz der Vereinten Nationen

In der Kontroverse um die Legitimität des weltweiten Einsatzes bewaffneter Drohnen gerät fast aus dem Blick, dass die Anwendungsbereiche für unbewaffnete Drohnen sich schnell erweitern – auch für die Vereinten Nationen.

Zwei Techniker der UN stehen vor einem Hangar und bereiten eine Drohne zum Start vor.
UN-Drohne wird für den Einsatz im Rahmen der MONUSCO-Mission in der Demokratischen Republik Kongo vorbereitet. (UN Photo)

Der enorme Boom in der Entwicklung von Drohnen – „unmanned aeriall vehicles“ (UAVs) – und ihrer Ausrüstung mit Systemen von künstlicher Intelligenz (KI) geht an der UN nicht spurlos vorbei. Seit mehr als zehn Jahren experimentieren verschiedene Agenturen mit ihrer Nutzung, sowohl in Blauhelm-Einsätzen, aber auch der humanitären Hilfe, der Entwicklungszusammenarbeit oder dem Naturschutz. Wie mit jeder neuen Technologie ergeben sich mit UAVs ungeahnte Potentiale und neue Risiken. Der Einsatz bewaffneter UAVs für die UN wurde bisher prinzipiell ausgeschlossen. Zu unklar sei deren völkerrechtliche Grundlage und die menschenrechtlichen Gefahren, die zahlreiche UN-Berichte in der Vergangenheit ausführlich beschrieben haben.

Unbewaffneten Drohnen zur Stärkung von UN-Blauhelmeinsätzen

Ein 2015 berufenes Expertengremium für Technologie und Innovation in UN-Peacekeeping Einsätzen kam zu dem Schluss, dass es den Blauhelmen oft an technologischen Fähigkeiten mangelt, um flexibler und sicherer ihr Mandat erfüllen zu können. Diese Missstände wurden auch als Grund dafür genannt, dass Industrienationen abgeneigt sind, eigene Truppen in risikoreiche Einsätze zu schicken. Insbesondere in unübersichtlichen, unzugänglichen und weitflächigen Einsatzgebieten könnten Drohnen zur effektiveren Aufklärung beitragen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen solle jede UN-Mission mit den Fähigkeiten Drohnengestützer Luftüberwachung ausgestattet sein, so Jane Holl Lute, die dem Gremium vorstand.

Im Sinne dieser Empfehlungen, bestärkte der ehemaliger Generalsekretär für UN-Friedenseinsätze Hervé Ladsous die Bedeutung, die Drohnen für Blauhelmeinsätze haben. Er war der Erste, der 2013 die Nutzung von UAV‘s im Osten Kongos für die MONUSCO-Mission autorisierte. Der Einsatz wurde seitdem ausgeweitet auf Mali sowie die Zentralafrikanische Republik. Laut Ladsous liegt der Wert von UAVs darin, dass ihre Fähigkeiten zur Aufklärung in Echtzeit bessere Lagebeurteilungen erlauben und somit zu einem besseren Schutz von Zivilisten und UN-Personal beitragen. Anzeichen für bevorstehende Angriffe von bewaffneten Gruppen könnten schneller bemerkt, Menschen gewarnt und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Im Kongo sollen UAVs das Waffenembargo überwachen, bewaffnete Gruppen aufspüren oder intern vertriebene Menschen lokalisieren. Ihr Einsatz ist dabei sowohl kostengünstiger und durch ihre lange Flugdauer der Nutzung von Satelliten, Flugzeugen oder Hubschraubern oft überlegen.

Drohnen im humanitären Einsatz

Abgesehen von Blauhelmeinsätzen, erstreckt sich die Nutzung von UAVs durch die UN insbesondere auf den humanitären Bereich und den Umweltschutz. Heute nutzen das UN-Umweltprogram, das UN-Entwicklungsprogram, UNICEFsowie das UN-Welternährungsprogram (WFP) Drohnen zur Verbesserung ihrer Arbeit. Das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, OCHA, bemerkt, dass Drohnen vor allem in der Reaktion auf Katastrophen und im Zivilschutz von wachsender Bedeutung sein werden. Gerade bei Naturkatastrophen wie schweren Unwettern, könnten UAVs in dichtbewölkten und unzugänglichen Gebieten Aufklärung leisten, die ohne sie nicht möglich wäre.

UNICEF arbeitet beispielsweise seit 2017 mit der Regierung Malawis in einem 5.000 Quadratkilometer großen Testgebiet zusammen, in dem der Einsatz von UAVs für die Lieferung von Hilfsgütern, die Anbindung schwer erreichbarer Gemeinden und die Erfassung von Luftbildern für eine bessere Katastrophenhilfe und -vorsorge erprobt wird. Auch die Regierungen Mozambiks und Madagaskars kooperieren in der Nutzung von UAVs für den Katastrophenschutz, da beide Länder von schweren Überschwemmungen betroffen waren.

Neues Potential: UAVs mit künstlicher Intelligenz (KI)

Heute zählt das WFP zahlreiche Bereiche auf, in denenUAVs und KI-Systeme benutzt werden: Suche und Rettung, Überwachung von landwirtschaftlichen Flächen, Katastrophenschutz oder Bereitstellung von Internetzugängen. Die Potentiale von KI werden in einem für OCHA angefertigten Bericht von 2020 ausführlich beschrieben. Dank neuester Bildverarbeitungstechnologien können KI-gestützte UAVs aus gesammelten Bildern automatisch 2D- und 3D-Karten entwickeln, darin Objekte und Personen identifizieren sowie beschädigte Gebäude oder Stromleitungen lokalisieren. Das ermöglicht es humanitären Helfern, die Lage schnell zu analysieren und Entscheidungen zu treffen, anstatt Zeit mit der mühsamen Identifizierung beschädigter Gebiete zu verbringen.

Insbesondere Deep-Learning Technologie ermöglicht es UAVs wachsende Datenmengen ohne Internetverbindung während des Fluges autonom zu verarbeiten und aufzubereiten. Je länger eine KI dabei in derselben Umgebungen „trainiert wird“, umso größer wird deren Genauigkeit und Verlässlichkeit. 2020 begann das WFP daher mit der Erstellung eines globalen Katalogs von geschulten KI-Modellen, die verschiedene Umgebungen wie die Bahamas oder Nepal abdecken. Der Einsatz von KI-gestützten UAVs ist nicht auf die Reaktion nach Naturkatastrophen beschränkt. Tautvydas Juskauskas, Drohnenspezialist von UNICEF in Malawi, geht davon aus, dass vorausschauende Flutmodellierung durch UAVs dabei helfen wird abzusehen, wie und welchem Ausmaß Überflutungen entstehen, Evaluierungspläne zu entwickeln und die Verteilung von Hilfsgütern zu koordinieren.

Risiken des Einsatzes von UAVs durch die Vereinten Nationen

Trotz der großen Potentiale von UAVs für die Arbeit der UN gibt es bis heute Bedenken. In Bezug auf Blauhelmeinsätze wurde befürchtet, dass die UN mit zunehmender Informationsbeschaffung auch geheimdienstliche Aktivitäten mithilfe von Drohnen entfalten würde oder einzelne Staaten die gesammelten Informationen für eigene Interessen ausnutzen könnten. UN-Experten betonen zwar, dass dies nicht vorgesehen sei, dennoch ergeben sich Herausforderungen in Bezug auf die Speicherung, Verwendung und den transparenten Umgang mit den enormen Datenmengen, die durch UAVs gesammelt werden können. Die zivile Nutzung von UAVs wird auch dadurch gefährdet, dass führende Unternehmen in der Branche selbst Auftragnehmer des Militärs sind. Daraus ergeben sich ethische Bedenken, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die privaten Partner von humanitären Organisationen kein militärisches, politisches oder wirtschaftliches Interesse verfolgen.

Noch schwerer wiegen Bedenken bezüglich der sozialen Wirkung, die die Präsenz von Drohnen auslösen kann. Ob eine Drohne beispielsweise bewaffnete ist, ist für vieleMenschen nicht leicht erkennbar und kann Panik auslösen, selbst wenn keine Gefahr droht. Anders als Flugzeuge, die in Sekunden vorbeigeflogen sind, können Drohnen stundenlang über einem Gebiet kreisen, oder sogar einzelnen Individuen folgen. Das militärische Stigma und die Unwissenheit über die Absicht der Drohnen ist nach einer Studie der CT4 Peace Foundation das größte Hindernis für den Einsatz von Drohnen, sowohl für Blauhelme, als auch für humanitäre Einsätze. Auch OCHA warnt vor dieser Gefahr. Anschuldigungen, dass humanitäre Akteure „spionieren“, könnten die lokale Wahrnehmung der humanitären Helfer beeinträchtigen und die Unparteilichkeit untergraben – besonders in Kontexten wie Mali, wo bewaffnete UAVs auch Angriffe durchführen. Um die zentralen Prinzipien der humanitären Arbeit – Unparteilichkeit, Neutralität und operative Unabhängigkeit – nicht zu gefährden, ist es daher wichtig, transparente Rahmenbedingungen für den Einsatz von UAVs zu garantieren sowie die Zustimmung und Partizipation lokaler Gemeinschaften zu sichern. Nicht von der Mission an sich, sondern von deren Wahrnehmung hänge es letztlich ab, ob die technischen Potentiale von UAVs eine positive Wirkung entfalten können.

Wasil Schauseil

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