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Iran-Atomabkommen vor dem Aus?

US-Präsident Donald Trump macht keinen Hehl daraus, dass er das internationale Atomabkommen mit dem Iran als schlechten Deal sieht. Es ist ungewiss, ob er am 15. Oktober das Abkommen erneut zertifizieren wird. Wie konnte die Situation so rasant eskalieren?

Foto: Public Domain

US-Präsident Donald Trump macht keinen Hehl daraus, dass er das Atomabkommen mit dem Iran als schlechten Deal sieht. Im September bezeichnete er die Einigung gar als Peinlichkeit für die Vereinigten Staaten. Es ist daher mehr als ungewiss, ob Trump am 15. Oktober das Abkommen erneut zertifizieren wird und dem Iran die Einhaltung dessen Verpflichtungen attestiert. Laut Medienberichten laufen im Weißen Haus derzeit die Vorbereitungen für eine Neuausrichtung der Iran-Politik, wobei auch neue Sanktionen in Erwägung gezogen werden. Aus Teheran drohte daraufhin die iranische Revolutionsgarde mit Vergeltungsschlägen auf US-Militärstützpunkte im Nahen Osten. Die Vereinten Nationen warnen derweil eindringlich alles Mögliche zu tun, um das Abkommen zu retten. Der Sprecher des UN-Generalsekretärs bekräftigte vor kurzem erneut, dass Antonio Guterres den Vertrag als eine der „folgenreichsten diplomatischen Errungenschaften für kollektiven Frieden und Sicherheit“ sehe. Wie konnte die Situation so rasant eskalieren und was bedeutet die mögliche Aufkündigung des Abkommens für die Region und internationale Bemühungen zur nuklearen Abrüstung? 

Das Ende eines kurzlebigen Abkommens?

Das internationale Atomabkommen zwischen dem Iran einerseits sowie den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und Deutschland (P5+1) trat Ende 2015 als Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) offiziell in Kraft. In dem Abkommen verpflichtete sich Teheran seine Urananreicherung für die nächsten zehn Jahre weitgehend herunterzufahren und regelmäßige Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in iranischen Nuklearanlagen zuzulassen. Im Gegenzug wurden wirtschaftliche Sanktionen und Strafmaßnahmen gegen das Land schrittweise aufgehoben.

Die Vereinten Nationen begrüßten die Vereinbarung und lobten die diplomatischen Errungenschaften aller Unterzeichnerstaaten, Frieden in der Region zu fördern und die Sorgen vor einer iranischen Atombombe abzubauen. Der damalige Generalsekretär Ban Ki-moon bezeichnete den Deal als „historischen und wichtigen Schritt“ für den Atomwaffensperrvertrag sowie wegweisend für zukünftige Verhandlungen mit anderen Staaten, die zu nuklearer Abrüstung bereit seien.

Auf dem Parkett der internationalen Politik kann sich allerdings in weniger Zeit viel ändern. Bereits auf seinen Wahlkampfveranstaltungen kündigte Donald Trump an, das Abkommen in Stücke reißen zu wollen, sollte er in das Weiße Haus einziehen. Seit Amtsantritt hat Trump zwar zweimalig dem amerikanischen Kongress bestätigt, dass Iran sich an seine JCPOA-Verpflichtungen hält – eine Auflage, die alle 90 Tage vorgeschrieben ist um bestehende Sanktionen auszusetzen – doch der Präsident erhebt weiter schwere Vorwürfe gegen das Land. So argumentierte Trump, Iran würde gegen den „Geist“ des Abkommens verstoßen, indem es sein Raketenprogramm konsequent ausbaue und regionale Konfliktherde im Irak, Syrien und Jemen durch militärisches Eingreifen oder Unterstützung terroristischer Gruppen destabilisiere. Im Juli 2017 verhängte die US-Regierung bereits neue Strafmaßnahmen gegen iranische Personen, Unternehmen und Einrichtungen, die von Teheran mit einem Gesetzentwurf beantwortet wurden, der den Etat für das Militär und die Revolutionsgarden erhöhen soll. Die am 15. Oktober gesetzlich festgeschriebene Entscheidung über eine erneute Zertifizierung des Abkommens fällt daher genau in den Zeitraum, in dem die Beziehungen zwischen den beiden Staaten einen neuen Tiefpunkt erreicht haben. Viele Stimmen in der amerikanischen Presse erwarten daher, dass Trump in der kommenden Woche Iran eine Nichteinhaltung attestieren wird. Er würde somit den Kongress beauftragen, innerhalb von zwei Monaten über die Wiedereinführung von Nuklearsanktionen zu entscheiden, was einer faktischen Aufkündigung gleichkäme. 

Auswirkungen eines amerikanischen Austritts

Die Auswirkungen und Signale, die eine einseitige Aufkündigung des Abkommens durch die USA verursachen würde sind vielseitig. Zunächst wäre dieser Schritt als ein herber Rückschlag für multilaterale und diplomatische Bemühungen zu verstehen, selbst bei enormen Interessenunterschieden zwischen Staaten zu langfristigen Vereinbarungen zu kommen. Bislang haben alle Vertragsparteien Trump wiederholt vor einer Aufkündigung gewarnt. Ein amerikanischer Alleingang würde dabei besonders die bereits angeschlagenen transatlantischen Beziehungen mit den Europäern weiter schwächen und erneut bestätigen, dass Trumps „America First“ Agenda auch nicht vor strategischen Bündnispartnern haltmacht.

Es wäre zudem ein fatales Signal für andere Staaten, die in der Zukunft an Abrüstungsgesprächen mit den USA interessiert sein könnten, wenn Verträge durch einen reinen Regierungswechsel gekündigt werden. Durch eine Aufkündigung sähe sich Washington dem sogenannten Verbindlichkeitsproblem (Englisch: “commitment problem“) ausgesetzt und würde sich in Zukunft als Verhandlungspartner unglaubwürdig machen. So wäre zum Beispiel für den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-Un das Ende des JCPOA ein weiterer Grund, an seinem Nuklearprogramm festzuhalten und nicht auf Verhandlungsangebote der Amerikaner einzugehen. Die innenpolitischen Auswirkungen im Iran, die ein US-Austritt zu Folge hätte, würden sich auch als destabilisierend für die Region entfalten. Der eher moderate iranische Präsident Hassan Rouhani hat der Bevölkerung große Versprechungen und wirtschaftlichen Aufschwung in Aussicht gestellt und diese an das Atomabkommen und gelockerte Sanktionen angebunden. Sollte dieses nun platzen, würden konservative iranische Hardliner leichtes Spiel haben, Rouhani, der bereits jetzt unter großem Druck steht, als schwach darzustellen und seinen Führungsanspruch in Frage zu stellen. Eine neue, radikal-konservative Regierung würde besonders in Sunnitischen Staaten des Nahen Ostens und in Israel Sorgen hervorrufen. Letztlich könnten die Drohgebärden zwischen den USA und dem Iran eskalieren und in einer militärischen Konfrontation enden, sei es entweder indirekt durch Stellvertretergruppen in Syrien oder durch direkte Angriffe auf iranische Nuklearanlagen.

Die Aufkündigung wäre ein Fehler

Es stimmt, dass das Abkommen keinesfalls Irans Atomprogramm beendet, sondern lediglich zehn Jahre ausgesetzt hat. Dennoch ist der JCPOA die beste Möglichkeit Irans Atomprogramm zu beschränken und das Land nach Jahren der Isolation zurück in die internationale Gemeinschaft zu integrieren. Für die USA, Europa und Israel ermöglicht das Abkommen diplomatische und wirtschaftliche Bemühungen in Gang zu setzten, Iran langfristig zu entwickeln und dessen Anreize für Atomwaffen obsolet zu machen.

Trump vor der UN-Generalversammlung im September 2017. (UN Photo/Cia Pak)

Für die regionale Sicherheit bedeutet der JCPOA auch, dass Atomwaffen für Irans Erzfeind Saudi-Arabien oder andere Nachbarstaaten überflüssig werden. Dass der Deal nicht alle Handlungen Irans adressiert, wie zum Beispiel dessen Raketenprogramm, die Förderung von terroristischen Gruppen wie Hisbollah, oder die Unterstützung des syrischen Machthabers Bashar al-Assad stimmt zwar, war allerdings nie vorgesehen. Letztendlich liegt dem Atomabkommen die Logik zu Grunde, dass Iran in den nächsten zehn Jahren ein anderes Land mit anderen Werten wird, insofern gelockerte Sanktionen zu wirtschaftlichem Aufschwung und Partnerschaften führen. Eine Aufkündigung wäre daher ein klarer Fehler, der ein funktionierendes und wahrhaft historisches Abkommen zerstören würde.

Eine Welt ohne Atomwaffen

Ist eine atomwaffenfreie Welt überhaupt möglich? Zwar sind die Waffenarsenale seit dem Ende des Kalten Krieges geschrumpft, so wird die Zahl der Kernwaffen weltweit immer noch auf 16 000 Stück beziffert, wobei die USA und Russland über 90% des Bestands stellen. Eine komplett atomwaffenfreie Welt bleibt das erstrebenswerteste Ziel. Dies würde aber bedeuten, dass die Atommächte nicht nur Lippenbekenntnisse zum Atomwaffensperrvertrag von 1968 geben, sondern konkrete Schritte einleiten, um ihre Arsenale zu verkleinern. Aktuelle Entwicklungen deuten allerdings in die entgegengesetzte Richtung, denn in den letzten Jahren initiierten diese massive Modernisierungsprogramme für ihre nuklearen Abschreckungsfähigkeiten. Die Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an die Aktivisten des ICAN-Netzwerks sowie das im Juli von den Vereinten Nationen beschlossene Verbot von Atomwaffen sind vielleicht die letzten Versuche der Gefahr von Atomwaffen auf internationaler Ebene entgegenzuwirken. 

Artikel von Felix Manig @felix_manig
Der Artikel spiegelt die persönliche Sichtweise des Autors wider.

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