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Frieden und Sicherheit in der Sahel-Region: Polarisiertes internationales Engagement

Die Sahel-Region ist in den vergangenen zehn Jahren Schauplatz einer Vielzahl von nationalen, regionalen und internationalen Militärinterventionen mit einem Zusammenspiel etlicher Akteure. Trotz dieser umfassenden Maßnahmen verschlechtert sich die Sicherheitssituation weiter. Ein Überblick.

Ein Helikopter fliegt über das Dorf Ogossagou in Mali.
Ein Helikopter fliegt über das Dorf Ogossagou in Mali. (UN Photo/Harandane Dicko)

Seit 2013 französische Truppen in Mali intervenierten, ist die Sahel-Region, welche die Länder Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger umfasst, in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt. Über Mali hinaus haben sich die Aktivitäten islamistischer Gruppen und eine sich verschlechternde Sicherheitssituation fast in der gesamten Region ausgebreitet. Herausforderungen, die zu einer Vielzahl an Maßnahmen, Militär- und Friedensmissionen sowie Interventionen geführt haben: einer „security traffic jam“ (dt. ‚Sicherheitsstau‘). Trotz dieser erheblichen Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, der regionalen Kräfte wie der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (Economic Community of West African States – ECOWAS) und der nationalen Regierungen hat sich die Sicherheitssituation in den letzten Jahren teils drastisch verschlechtert. Hinzu kommen mehrere Putsche in der Region, die in Mali, Burkina Faso, oder Niger zu politischer Instabilität geführt haben. Zunehmend wurden im Kontext einer Polarisierung des Engagements der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich auch internationale Anstrengungen politisiert und Gegenstand von Auseinandersetzungen. Dies betrifft insbesondere auch die Mehrdimensionale integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali - MINUSMA) als zentrale Friedensmission der UN und noch größter Auslandseinsatz der Bundewehr.          

Viele Akteure in der Sahel-Zone

Die Herausforderungen der politischen Fragilität und die sicherheitspolitischen Herausforderungen haben ein sich über die letzten Jahre intensivierendes Engagement in multiplen Formen nach sich gezogen, das mittlerweile Aktivitäten subregionaler Akteure wie der Gruppe der Fünf für den Sahel (Group of Five for the Sahel - G5 Sahel) oder der ECOWAS, einzelstaatliche Maßnahmen wie durch Frankeich oder die USA, oder internationale Anstrengungen wie durch die Europäische Union (EU) oder die UN umfasst. Neben der MINUSMA, welche mit fast 16.000 Soldatinnen und Soldaten in Mali operiert, existieren mehrere EU-Missionen, und auch eine regionale Eingreiftruppe mit der Gemeinsame Truppe der G5 Sahel (G5 Sahel Joint Force). Außerdem unterstützten internationale Geber die Region mit erheblichen Mitteln auch über militärische Hilfen hinaus, etwa im Kontext der EU-Entwicklungs- und Migrationspolitik. Es handelte sich daher im Sahel um einen komplexen Multi-Akteurs-Kontext mit einer Vielschichtigkeit von Herausforderungen etwa in der Koordinierung der Anstrengungen und deren Auswirkungen oder in Bezug auf Hilfe für die Zivilbevölkerung. 

Ein polarisiertes internationales Engagement

Vor dem Hintergrund dieses vielschichtigen Aufgebots in der Region und der teils erheblichen Anstrengungen ist die Bilanz ernüchternd. Beobachterinnen und Beobachter wie Moussa Tchangari von der nigrischen Nichtregierungsorganisation Alternative Espaces Citoyens (AEC) weisen auf das Versagen des stark militärisch orientierten Engagements hin. Insbesondere wegen teilweise erfolgreicher Putschversuche dominierten etliche Staaten des Sahel immer wieder die Schlagzeilen: In Mali kam es zu zwei Militärputschen innerhalb eines Jahres, ebenso in Burkina Faso. In Niger putschte eine im Westen ausgebildete Armee im Juli 2023. Diese Staatsstreiche, aber auch die politische Fragilität in den Ländern des Sahel wurden unter anderem durch eine Unzufriedenheit mit den militärischen Ansätzen und Misserfolgen befeuert. Eine zunehmende Polarisierung im Hinblick auf das internationale Engagement ist zu bemerken. Hier ist zunächst vor allem die ehemalige Kolonialmacht Frankreich zu nennen, deren militärisches Aufgebot in der Region zunehmend in Frage gestellt und durch viele Putschregierungen abgelehnt wurde. Mali beschuldigte Frankreich schließlich sogar, dschihadistische Gruppen unterstützt zu haben, legte aber keine Beweise vor. In diesem Kontext wurden auch die Ansätze anderer Akteure in Frage gestellt. Während jüngst die Putschregierungen eine neue regionale Initiative, die Allianz der Sahelstaaten (Alliance of Sahel States - ASS), beschlossen, wohl in Abgrenzung zur G5 Sahel und der ECOWAS, wurde auch das Umfeld der EU-Missionen schwieriger. Mali und Burkina Faso setzen dabei auf die russische Söldnergruppe Wagner als Sicherheitspartner, mit zunehmend verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung und die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern.   

Der Abzug der MINUSMA

Das ungünstige Umfeld und die zunehmende Polarisierung des internationalen Engagements erschwerten auch die Arbeit der MINUSMA in Mali. Gerade die Spannungen mit der malischen Putschregierung und deren Kooperation mit Wagner, aber auch die sich verschlechternde Sicherheitslage waren als Herausforderungen und Basis für eine Friedensmission zu groß. Nach dem Massaker durch malische Regierungstruppen und Wagner Söldner im malischen Moura, in dem mehr als 500 Menschen getötet wurden, aber auch im Kontext ähnlicher zunehmenden Gewalt gegen die Zivilbevölkerung verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den UN-Friedenstruppen und der Junta in Bamako erheblich. Die Regierung verweigerte beispielsweise Überflugrechte für deutsche Truppentransporter oder Drohnen im Kontext der deutschen UN-Truppen. Schließlich forderte Malis Außenminister Abdoulaye Diop vor dem UN-Sicherheitsrat den Abzug der UN-Friedensmission, der im Juni 2023 beschlossen und von Beobachterinnen und Beobachtern als Sieg der Söldnertruppe bezeichnet wurde. Mit dem MINUSMA-Abzug bis Ende des Jahres ist anzunehmen, dass sich die Sicherheitslage, vor allem für die Zivilbevölkerung, weiter verschlechtern wird. Dies treibt den islamistischen Gruppen Unterstützung zu, auch weil die lokalen Armeen und deren Partner Wagner sehr brutal vorgehen. Zu hoffen bleibt, dass politische Lösungen, die über rein militärische Logiken hinausgehen, verfolgt werden und sich ganzheitliche Ansätze, die auch die lokale Bevölkerung einschließen und die Region nicht nur als Spielball verschiedener Interessen betrachten, durchsetzen.

Dr. Friedrich Plank

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