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UN und Abrüstung

Hoffnungen auf eine verstärkte Abrüstung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts haben sich nicht erfüllt. Zwar sanken die globalen Militärausgaben in den 1990er Jahren zunächst stark, doch sind sie derzeit wieder auf einem Höchststand. Seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 und den Kriegen in Afghanistan und Irak sowie den Konflikten in Syrien, Jemen und Libyen lässt sich weltweit wieder eine zunehmende Aufrüstung beobachten.

Ehemalige Milizangehörige in der Zentralafrikanischen Republik, die an einem Programm zur Entwaffnung und Wiedereingliederung teilnehmen. (UN Photo/Herve Serifio)

Die UN als Abrüstungsforum

Die Vereinten Nationen bemühen sich, den Mitgliedstaaten dabei behilflich zu sein, unterschiedliche Abrüstungsstandpunkte in Einklang zu bringen, Fachwissen weiterzugeben und Lösungen voranzubringen. Zentrale Anliegen des UN-Büros für Abrüstungsfragen (UN Office for Disarmament Affairs, UNODA) sind die Unterstützung multilateraler Verhandlungen, die Nichtverbreitung von Atomwaffen, anderen Massenvernichtungswaffen und konventionellen Waffen, regionale Abrüstungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit. 2018 unterstützten die UN zum Beispiel die laufenden Vorbereitungen für die Konferenz der Vertragsparteien im Jahr 2020 zur Überprüfung des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags.

Doch in den vergangenen Jahren konnten die Vereinten Nationen nur wenige Erfolge in ihren multilateralen Abrüstungsbemühungen verbuchen und verloren daher teilweise als Forum der globalen Abrüstung an Bedeutung. Verhandlungen zur Abrüstung wurden vermehrt außerhalb der UN geführt. Ursache dafür ist, dass im Rahmen der UN ausgearbeitete Übereinkommen vom Konsensprinzip geprägt sind und der Zustimmung aller Mitgliedsstaaten bedürfen. Viele Meinungsverschiedenheiten der Staaten – sei es in Bezug auf Inhalte, die Ausgestaltung notwendiger Kontrollmechanismen oder auch der erforderlichen Offenlegung der Bestände und Rüstungsstrategien – führen immer wieder zu einem Scheitern der Bemühungen im Bereich der Abrüstung oder zu einem Kompromiss auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners. So ist zum Beispiel die Genfer Abrüstungskonferenz (UN Conference on Disarmament, UNCD), das einzige von der UN-Generalversammlung anerkannte, ständige Abrüstungsforum weltweit, seit Jahren blockiert. Während die UNCD in der Vergangenheit den Rahmen für erfolgreiche Abrüstungsverhandlungen gestellt hat, erreicht sie seit den 1990er Jahren keinerlei Fortschritte mehr. Erfolgreicher waren hingegen Initiativen einzelner Staaten oder Staatengruppen: Der von Norwegen initiierte „Oslo-Prozess“ zum Verbot von Streumunition und die Ottawa-Konvention zur Ächtung von Antipersonenminen machten deutlich, dass Abrüstung auch ohne die Zustimmung mächtiger Staaten wie den USA, China oder Russland möglich ist. Die Ausweitung der Abrüstungsbemühungen auch außerhalb der UN bietet insofern auch eine Chance, wichtige Ergebnisse zu erreichen und dem Ziel einer weltweiten Abrüstung näher zu kommen.

Nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung

Für längere Zeit hatten die Atommächte weniger in ihr nukleares Waffenarsenal investiert, doch das ändert sich gerade wieder. Zwar hat die absolute Anzahl an Atomwaffen leicht abgenommen, doch viel besorgniserregender ist, dass alle neun Atommächte (USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, VR China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea) ihr nukleares Waffenarsenal derzeit erneuern und modernisieren. Allen voran sind Russland und die USA, die noch immer über 90 Prozent aller Atomwaffen weltweit verfügen. Die Sprengkraft der Atombomben wird durch die Modernisierung um ein Vielfaches zerstörerischer.

Bei einer historischen Sitzung im September 2009 nahm der UN-Sicherheitsrat einstimmig die Resolution 1887 an, die an die Regierungen der Welt appelliert, den Atomwaffensperrvertrag von 1970 umzusetzen. Die vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama eingebrachte Resolution fordert eine weltweite Nichtverbreitung von Kernwaffen und nukleare Abrüstung. Auch der New START-Vertrag zwischen den USA und Russland, der 2011 in Kraft trat und eine Reduzierung einsatzbereiter atomarer Sprengköpfe und deren Trägersystemen vorsieht, und das Atom-Abkommen mit dem Iran von 2015, können als historische Erfolge der Abrüstung angesehen werden. Diese Verträge zeigen die Potenziale multilateraler Verhandlungen. Doch mit dem von 2017 bis 2021 regierenden US-Präsidenten Donald Trump gab es herbe Rückschläge in abrüstungspolitischer Hinsicht. Die USA weigern sich derzeit über eine Verlängerung des 2021 endenden New-Start-Vertrages zu verhandeln und sie sind 2018 aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran ausgestiegen. Darüber hinaus haben die USA unter Präsident Trump den Vertrag über landgestützte Kernwaffen mittlerer Reichweite, den INF-Vertrag, aufgekündigt. Auch die Interessengegensätze zwischen Kernwaffenstaaten und Nicht-Kernwaffenstaaten sind nach wie vor groß. Die politischen Entwicklungen in einzelnen Staaten wie etwa den USA und auch das Atomprogramm in Nordkorea stellen für nukleare Abrüstungsbemühungen im Rahmen der Vereinten Nationen eine immense Herausforderung dar.

Im September 2017 verabschiedeten die UN ohne die Beteiligung der Atommächte den Atomwaffenverbotsvertrag. Dieser Vertrag ist das Resultat einer neuen internationalen Bewegung, die sich seit 2008 für eine atomwaffenfreie Welt („Global Zero“) stark macht. 122 Länder haben den Vertrag angenommen, der dazu verpflichtet, nie und unter keinen Umständen Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, anzuschaffen, zu besitzen, zu lagern oder damit zu drohen. Bisher haben 50 Staaten den Vertrag ratifiziert, sodass dieser, da er die vertraglich festgelegte Anzahl von 50 Ratifizierungen erreicht hat, am 22. Januar 2021 in Kraft treten konnte. Der Konferenz zur Aushandlung des Vertrages blieben Deutschland und alle andere NATO-Staaten, mit Ausnahme der Niederlande, sowie alle neun Atomwaffenstaaten fern. Neben der Weigerung der Atommächte dem Vertrag beizutreten, wenden sich auch Deutschland und andere NATO-Staaten gegen das Dokument, mit der Begründung, nukleare Abschreckung gehöre zur Strategie des Militärbündnisses.

Weltweite Militärausgaben auf neuem Höchststand

UN Photo/Patricia Esteve

Die weltweiten Militärausgaben sind im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegen. Erreichten die Ausgaben 2019 in Höhe von über 1,8 Billionen US-Dollar einen neues Allzeithoch, stiegen diese im Jahr 2020 erneut um 2,6 Prozent auf 1,98 Billionen US-Dollar an. Es ist der höchste Stand seit dem Ende des Kalten Krieges. Die Zahlen basieren auf Schätzungen des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI, das jährlich einen umfangreichen Bericht über Militärausgaben herausgibt. 

Während die weltweite Wirtschaft aufgrund der Corona-Pandemie um 4,4 Prozent schrumpfte, stiegen die globalen Militärausgaben im gleichen Zeitraum um 2,6 Prozent an. Die Ausgaben für das Jahr 2020 entsprechen damit 2,4 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die USA bleiben mit Rüstungsausgaben in Höhe von 778 Milliarden US-Dollar weltweiter Spitzenreiter. Dahinter folgen China, Indien, Russland und das Vereinigte Königreich, die damit zusammengenommen 62 Prozent der weltweiten Militärausgaben ausmachen. Deutschland landet auf dem siebten Platz (2019: Platz 8). Deutschland gab 2020 52,8 Milliarden US-Dollar für Waffen und Militär aus. Dies entspricht einem Anstieg von 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Laut SIPRI-Bericht befindet sich die globale Sicherheit seit einem Jahrzehnt auf dem Rückzug. Die Zusammenfassung des Jahresberichts von 2020 gibt es hier

Massenvernichtungswaffen und Kleinwaffen

Im Kampf gegen die Proliferation, also die Weitergabe bzw. Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, wurde der UN-Sicherheitsrat insbesondere mit der Verabschiedung von Resolution 1540 im Jahr 2004 aktiv. Um den Handel mit Massenvernichtungswaffen international besser kontrollieren zu können, verhängt er unter anderem Sanktionen als Zwangsmaßnahmen, häufig in Form von Waffenembargos.

Allerdings ist in den vergangenen Jahren die Notwendigkeit, den Handel mit Kleinwaffen zu kontrollieren, immer dringlicher geworden. Diese werden heute in jedem Krieg und Konflikt eingesetzt, fordern mehr Tote als alle anderen Waffentypen und werden daher als die „neuen Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet. Während im Bereich der Massenvernichtungswaffen diverse Abkommen existieren, fehlte bislang eine internationale Konvention über Kleinwaffen. Seit 2001 versucht das UN-Kleinwaffenaktionsprogramm, die Bekämpfung einer unkontrollierten Verbreitung von Kleinwaffen voranzutreiben. 2013 beschloss die UN-Generalversammlung nach jahrelangen Verhandlungen einen Vertrag über den Waffenhandel (ATT), der den Handel mit konventionellen Waffen wie Panzern, Artillerie, Kleinwaffen, Minen und Streumunition regulieren soll. Der ATT trat Ende 2014 in Kraft und verbietet den Export von Waffen, wenn dadurch Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen ermöglicht werden können. 2018 trat der hundertste Staat diesem Abkommen bei. Von den fünf größten Waffenexporteuren der Welt sind die USA, Russland und China keine Vertragspartner. Die Vertragsstaaten Deutschland und Frankreich werden von Nichtregierungsorganisationen regelmäßig für intransparente Rüstungsgeschäfte mit autoritären Regimen kritisiert.


Links und weitere Informationen zum Thema

Links mit weiteren Informationen zum Thema

  • Informationsportal „Krieg und Frieden“ der Bundeszentrale für politische Bildung
  • UNODA – Büro der Vereinten Nationen für Abrüstungsfragen und der neuste UNODA-Abrüstungsbericht 2018
  • IAEA – Internationale Atomenergieorganisation
  • SIPRI – Stockholm International Peace Research Institute
  • BICC – Bonn International Center for Conversion
  • Berghof Foundation - Institut für Friedenspädagogik
  • Global Zero – Initiative für eine atomwaffenfreie Welt
  • ICAN – Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen
  • AA – Auswärtiges Amt
  • BMVg – Bundesministerium der Verteidigung
  • IALANA – Organisation von Juristen und Juristinnen für gewaltfreie Konfliktlösung