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Der Sudan-Konflikt und die UN

Bereits im letzten Jahrhundert war Sudan durch innerstaatliche Konflikte zwischen dem Süden (heute Südsudan) und Norden gekennzeichnet. Der Regierungssturz des militärischen Diktators Umar Al-Bashir in 2019 brachte keine Unterbrechung des Kreislaufs von andauernder Gewalt und humanitären Notsituationen. Nun steht das Land vor der Herausforderung, einen fragilen Frieden aufrechtzuerhalten.

Eine Frau mit ihren Kindern reitet auf einem Esel durch eine neue Siedlung im Lager Zam Zam für Binnenvertriebene in Nord-Darfur.
Eine Familie kommt als Binnengeflüchtete im Lager Zam Zam in Nord-Dafur an. (UN Photo)

Wie ist der Konflikt entstanden?

Sudan ist durch eine komplexe Konflikthistorie geprägt, wobei ethnische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Differenzen durch die Kolonialherrschaft Großbritanniens verstärkt wurden. 1956 wurde Sudan zu einem unabhängigen Staat. Doch zeitgleich brach ein Bürgerkrieg zwischen der muslimisch-arabischen Population im Norden und der christlich-afrikanischen Bevölkerung des Südens aus. Innerstaatliche Unruhen und Instabilität ermöglichten 1989 einen Militärputsch, durch den Umar Al-Bashir die Präsidentschaft erlangte. Als einer der am längsten amtierenden Staatsoberhäupter Afrikas regierte er das Land 30 Jahre lang mit seinem repressiven Militär. Währenddessen erfuhr der christlich geprägte Süden Jahrzehnte von Diskriminierung und Marginalisierung. 2005 unterzeichnete die muslimische Regierung Al-Bashirs einen Friedensvertrag mit der Sudan People's Liberation Army (SPLA), welcher dem Süden Autonomie gewährte.

Das in 2011 implementierte Unabhängigkeitsreferendum brachte die ersehnte Abspaltung des Südens von der Regierung in Khartum, was die Geburtsstunde des jüngsten Staates der Welt darstellte: Südsudan. Dennoch dauerten die innerstaatlichen Feindseligkeiten zwischen verschiedenen ethnischen Populationen an. Nach weiteren gebrochenen Friedensabkommen und mehr als hunderttausenden Toten sowie Millionen Geflüchteten, ist in keinem der beiden Sudans nachhaltiger Frieden abzusehen. Blutige Auseinandersetzungen sind neben der problematischen ökonomischen Lage ein fundamentaler Destabilisierungsfaktor.

Die internationale Gemeinschaft richtete 2019 alle Augen auf Sudan, als der jahrzehntelange Machtinhaber Al-Bashir durch einen Militärputsch abgesetzt und inhaftiert wurde. Monatelange, friedliche Proteste führten zu einer Machtaufteilung zwischen dem Militär und den Forces of Freedom and Change, welche die Zivilbevölkerung repräsentieren. Eine zwischenzeitlich eingesetzte Übergangsregierung sollte demokratische Staatsstrukturen aufbauen und Wahlen ermöglichen, ihre Handlungsmöglichkeiten waren aber durch den Einfluss des Militärs stark begrenzt. 2021 stürzte das Militär gemeinsam mit den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) die Regierung und General Abdel Fattah al-Burhan übernahm die Macht. Verhandlungen, um die Einsetzung einer zivilien Regierung zu ermöglichen und die RSF in die sudanesische Armee einzugliedern, scheiterten jedoch. Im April 2023 kam es zu einer Eskalation des Konflikts zwischen den sudanesischen Streitkräften, die unter Befehl von General Abdel Fattah al-Burhan stehen, und den RSF unter Führung von Mohamed Hamdan Dagalo. Die Gefechte verschlechtern die Versorgungslage der Bevölkerung erheblich. Rund 16 Millionen Menschen sind im Sudan auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Konfliktlinien und beteiligte Akteure

Sudan erlangte weltweite Bekanntheit durch den Darfurkonflikt und des blutigen Genozids ab 2003. Die Diversität und Fragmentierung der Bevölkerungsgruppen in Darfur – einer Region im Westen des Sudans – hatten immer wieder ökonomische, ökologische und soziale Konflikte zur Folge. Die sesshaften Fur, die größte ethnische Gruppe in Darfur, waren aufgrund des Ackerbaus abhängig von den knappen Wasserressourcen. Auch die arabischstämmigen Nomaden benötigten die Wasserstellen als Grundlage ihrer Viehzucht, wobei diese starke Unterstützung durch die islamische Regierung erfuhren. Die Spannungen zwischen der sudanesischen Befreiungsbewegung (SLM/A), inklusive der Fur und der afrikanisch-islamischen Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (JEM), die mit Landnutzungskonflikten und dem stetigen Kampf um mangelnde Ressourcen einhergingen, intensivierten sich. Die Rebellion gegen die Marginalisierung der nicht-arabischstämmigen Bevökerungsgruppen, repräsentiert durch die SLM/A, gegen die regierungsbefürwortende JEM führte ab 2003 zu einem folgenschweren Massaker.

Die arabisch dominierte Regierung setzte die Milizengruppen Janjaweed ein, um die nicht-arabischen Bevölkerungsteile zu bekämpfen. Neben den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den bewaffneten Gruppen, war die Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung enorm. Bis 2009 verloren circa 300 000 Menschen ihr Leben. Massenvergewaltigungen und die Zerstörung kompletter Dörfer kennzeichnen bis heute das Leben vieler Sudanesinnen und Sudanesen. 2,7 Millionen Menschen wurden als Folge des Konflikts vertrieben. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt derweil aufgrund von Anschuldigungen auf Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen.

Die Rolle der internationalen Gemeinschaft

Drei Blauhelmsoldatinnen sitzen in einem gepanzerten Mannschaftstransportwagen.
Soldatinnen der UNAMID-Friedenstruppe auf Nachtpatrouille in einem Camp für Binnengeflüchtete in Darfur. (Foto: UN Photo/Albert Gonzalez Farran)

Zahlreiche Akteure sind in die sudanesische Politik involviert und nehmen unterschiedlich stark Einfluss auf das örtliche Geschehen. Dies geht mit der Abhängigkeit von internationaler Unterstützung einher. Die Afrikanische Union (AU) war seit 2004 mit ihrer AMIS Mission als schützender Akteur für die Zivilbevölkerung in das Konfliktgeschehen in Darfur involviert. Das Interesse liegt besonders auf regionaler Stabilität. Die UN begann 2007 eine ihrer historisch größten Friedenseinsätze in Darfur: UNAMID. Das UNAMID-Mandat endete allerding mit dem Jahr 2020 und die zivile UN-Mission UNITAMS wurde etabliert, um Sudan mit dem Friedensprozess und der politischen Demokratisierungsphase zu assistieren.

Deutschland etablierte die informelle Initiative „Friends of Sudan“ 2019 mit dem Ziel, das Land in der aktuellen politischen Übergangsphase und den andauernden Herausforderungen zu unterstützen. Der Zusammenschluss beinhaltet multilaterale Organisationen wie die AU, UN und Europäische Union sowie Länder wie beispielsweise Frankreich und die USA. 2020 wurden mehr als 1,8 Milliarden US-Dollar als Teil der Partnerschaftskonferenz zugesichert. Neben finanzieller Unterstützung spielt auch die Einflussnahme auf die sudanesische Politik hinsichtlich des Demokratisierungsprozesses eine Rolle. Mitgliedsstaaten betonen die Notwendigkeit für wirtschaftliche Reformen und einen verringerten Einfluss des Militärs.Die USA nahm Sudan aufgrund der Deckung von Osama Bin Laden zwischen 1991 und 1996 in ihre Terrorlist auf. Al-Qaida-Angriffe auf US-Botschaften in Äthiopien und Kenia sowie die Verbindung von gefährliche eingestuften Terroristen(gruppen) nach Khartum unterstrichen die Legitimität der sudanesischen Aufnahme in die Terrorliste. Die Kategorisierung und Sanktionen verhinderten vor allem den Zugang zum internationalen Finanzmarkt und marginalisierten Sudan zusätzlich als globalen Akteur, wodurch sich die wirtschaftliche Situation stetig verschlechterte. Die enge Kooperation in der Terrorismusbekämpfung zwischen USA und Sudan in 2005 bot einen ersten wichtigen Schritt zur Normalisierung der Beziehung. Nach Reparationszahlungen an die Opfer der Anschläge strichen die USA im Dezember 2020 Sudan von der Terrorliste, wodurch eine weitere Distanzierung zur vorherigen repressiven Militärherrschaft, ökonomische Reformen und die Integration in den internationalen Markt ermöglicht wurden.

Nach zahlreichen gescheiterten Versuchen unterzeichneten die Regierung sowie mehrere Rebellengruppe im Oktober 2020 ein Friedensabkommen in der südsudanesischen Hauptstadt Juba, welches ein Ende des Bürgerkriegs kennzeichnen sollte. Doch da zahlreiche Gruppierungen wie die sudanesische Befreiungsarmee die Verhandlungen ablehnen, basierte die politische Übergangsphase auf instabilem Boden mit andauernder Fragmentierung anstatt nationaler Vereinigung. Die primären Konfliktdynamiken wie die Spaltung nach ethnischen Gesichtspunkten prägen das Land weiter. Die regionale Instabilität und damit verbundene Migrationsbewegungen, zuletzt von Äthiopien in den Sudan, verschlechtern die bereits prekäre Situation im Land, welches selbst Millionen Binnengeflüchtete beherbergt. Davon ausgehend ist die aktuelle Involvierung der UN sowie anderer regionaler und internationaler Akteure von fundamentaler Bedeutung.

 

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