UN-Friedensmissionen
Das Entsenden von Friedensmissionen in Konfliktgebiete ist ein zentrales Instrument der UN-Friedenssicherung. Friedenssoldatinnen und -soldaten, Polizei- und Zivilkräfte aus unterschiedlichsten Staaten arbeiten daran, Gewalt einzudämmen, Eskalationen zu verhindern und die grundlegende Sicherheit von Menschen und Institutionen in Krisenregionen zu gewähren.
Friedensmissionen waren während des Kalten Kriegs aufgrund der Blockade im Sicherheitsrat noch eine Randerscheinung. In den vergangenen 30 Jahren haben sie sich aber zu einem wichtigen Mittel der internationalen Friedenssicherung entwickelt. Die UN-Friedensmissionen zeichnen sich zunächst dadurch aus, dass sie den größten Teil des Aufgabenspektrums abdecken.
Dieses kann man – entlang eines idealtypischen Konfliktverlaufs – als Friedensschaffung (diplomatisch als peacemaking; mit militärischem Zwang als peace enforcement bezeichnet), Friedenssicherung (peacekeeping) und Friedenskonsolidierung (peace-building) beschreiben. Der Schwerpunkt liegt bei den UN-Friedensmissionen auf den letzteren beiden Aufgaben. Die Einsätze sind heute mehrdimensional und vielschichtig, sie kombinieren "klassische" Friedenssicherung mit Friedenskonsolidierung und umfassen neben einer militärischen Komponente zivile Funktionen. Das Aufgabenspektrum reich dabei von der Sicherheitswahrung bis hin zur Übernahme von Regierungsaufgaben. Zunehmend kooperieren die UN mit regionalen Organisationen und übertragen die Umsetzung der Friedenseinsätze unter anderem an die NATO, die Europäische Union oder die Afrikanische Union.
Friedenseinsätze werden vom UN-Sicherheitsrat beschlossen. Die ausführende Leitung liegt beim UN-Generalsekretär. Dieser ernennt Sonderbeauftragte für die Leitung der Friedensmissionen vor Ort. UN-Länderteams bestehen aus Vertretern der UN-Organisationen und UN-Programmen aus den Bereichen Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe. Im UN-Sekretariat liegen die Planung und Verwaltung von Friedensmissionen bei der Hauptabteilung Friedensmissionen (Department of Peace Operations - DPO). Als beratendes Nebenorgan des Sicherheitsrats und der Generalversammlung fungiert seit 2006 die Kommission für Friedenskonsolidierung, die den Wiederaufbau nach Konflikten koordiniert. Die Finanzierung der Friedenseinsätze erfolgt durch alle UN-Mitgliedstaaten, wobei die Festlegung des Budgets dem Haushaltsausschuss der UN-Generalversammlung obliegt, der die Wirtschaftskraft der Länder zur Grundlage nimmt.
UN-Friedensmissionen im Wandel
Als "klassische" Friedenssicherung gilt das Entsenden leicht bewaffneter Streitkräfte oder unbewaffneter Militärbeobachterinnen und -beobachter durch den UN-Sicherheitsrat. Sie sollen Waffenstillstandsabkommen überwachen und Pufferzonen zwischen Konfliktparteien schaffen. Durch die Präsenz unparteiischer Friedenstruppen ('Blauhelme'), so der Gedanke, sollen Spannungen in einem Konflikt abgebaut und einer Verhandlungslösung der Weg geebnet werden.
UN-Friedensmissionen sind in der Charta nicht ausdrücklich vorgesehen, weshalb sich die heutige Struktur als Ergebnis einer praxisbasierten Entwicklung verstehen lässt, die dem Geiste nach zwischen den Kapiteln VI und VII der Charta steht. Friedensmissionen können den Mitteln der friedlichen Streitbeilegung nach Kapitel VI der UN-Charta zugeordnet werden, sind aber nicht explizit genannt. Gleichzeitig kann es sich aber auch um eine militärische Maßnahme handeln und wird deshalb teilweise auch als ‘Kapitel VI ½-Maßnahme’ bezeichnet, weil Kapitel VII Zwangsmaßnahmen regelt. Wichtige Voraussetzung für die Entsendung von Blauhelmen ist die Zustimmung der Konfliktparteien. Daneben gilt das Prinzip, Waffengewalt lediglich zur Selbstverteidigung anzuwenden.
Mit der Zunahme innerstaatlicher Konflikte seit Beginn der 1990er-Jahre wurde deutlich, dass die Anwesenheit unparteiischer Friedenstruppen oft nicht genügte. Zivile Maßnahmen der Konfliktprävention und der Friedenskonsolidierung erlangten deshalb zunehmende Bedeutung. So entwickelte sich das multidimensionale Friedenssicherung. Diese umfasst die Stabilisierung von Friedensvereinbarungen in der Übergangsphase nach Konflikten, die Unterstützung beim Aufbau demokratischer Institutionen, die Überwachung von Wahlen, die Rückführung von Geflüchteten und die Entwaffnung der Konfliktparteien. Militärisches Personal wird dabei um Polizeikräfte und ziviles Personal wie Verwaltungspersonal ergänzt. Zum Teil haben UN-Friedensmissionen aber auch keinen rein militärischen Auftrag und erfüllen etwa Beobachtermissionen zur Überwachung von Wahlen, zur Durchführung von Referenden oder zur Einhaltung der Menschenrechte. Auch Politische Missionen sind in der Regel zivile Einsätze.
Die Mobilisierung finanzieller Beiträge und die Bereitstellung internationaler Truppen sind oftmals zeitintensiv und mühsam. Gleichzeitig sind Friedensmissionen besonders in den letzten 15 Jahren aufgrund ihres breiten Aufgabenspektrums personal- und ressourcenintensiver.
Erweiterung der Kompetenzen für UN-Friedensmissionen
Konkreter war es das Scheitern der UN-Friedensmissionen in Somalia, dem ehemaligen Jugoslawien und Ruanda, dass die UN-Friedenssicherung in den 1990er-Jahren in eine schwere Krise stürzte: Den Friedenstruppen fehlten die notwendigen Kompetenzen für eine Friedenserzwingung. Der Sicherheitsrat reagierte darauf, indem er die Anwendung militärischer Gewalt nun auch zur Verteidigung des Mandats (zum Beispiel zum Schutz der Zivilbevölkerung) erlaubte. Die meisten Missionen sind heute mit solch einem robusten Mandat ausgestattet.
Eine zusätzliche Kompetenzerweiterung erhielten UN-Friedensmissionen durch die Übernahme exekutiver Aufgaben (exekutives Mandat). Damit ist die zeitweise Übernahme von Regierungsaufgaben und die Errichtung einer Übergangsverwaltung gemeint, mit dem Ziel, schrittweise die Abgabe der Regierungsfunktionen an demokratisch legitimierte Vertreterinnen und Vertreter der Bevölkerung vorzubereiten.
Internationaler Tag der UN-Peacekeeper
Am 29. Mai würdigen die UN den Einsatz der über 120.000 internationalen Angehörigen von Militär, Polizei und Zivilpersonal, die in UN-Missionen einen Beitrag für Frieden leisten. Der Tag gilt zudem dem Gedenken an diejenigen, die ihr Leben in einem UN-Einsatz verloren haben. (UN Photo/Marco Dormino)
Probleme und Reformansätze
Seit der Krise der UN-Friedenssicherung der 1990er-Jahre gab und gibt es Reformbemühungen, die auf die Beseitigung der Defizite von Friedensmissionen zielen. Grundsätzlich besteht das Problem, dass die Anforderungen an Friedensmissionen mittlerweile sehr hoch, die von den UN-Mitgliedstaaten bereitgestellten Ressourcen aber zu gering sind.
Zu den frühen Reformvorschlägen zählen die Maßnahmenkataloge, die der damalige UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali 1992 in seiner Agenda für den Frieden für alle Formen der Friedenssicherung formulierte. Er schlug unter anderem die Bildung eines Systems von Verfügungsbereitschaftsabkommen (UN Standby Arrangements System - UNSAS) vor. Ziel dieser Idee ist es, eine internationale Freiwilligenarmee zu schaffen, die kurzfristig einsetzbar ist, um eine Konflikteskalation zu vermeiden. Damit soll eine schnelle Reaktion ermöglicht und der Prozess der Truppenaufstellung verkürzt werden. Durch den Abschluss bilateraler Abkommen mit den UN sollen sich UN-Mitgliedstaaten bereit erklären, Unterstützungsleistungen (unter anderem Personal, Experten, Material) bereitzustellen. Diese Bereitschaft blieb allerdings bis heute gering.
Acht Jahre später thematisierte der Brahimi-Bericht – benannt nach dem Leiter der von UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzten Sachverständigenkommission Lakhdar Brahimi – Probleme der UN-Friedenssicherung, erarbeitete umfassende Lösungsvorschläge und löste eine umfassende Reformdebatte aus.
In jüngster Vergangenheit standen zudem Fälle sexueller Gewalt durch UN-Peacekeeper im Fokus. Seit 2006 werden alle Anschuldigungen über Fehlverhalten von Peacekeepern zentral gesammelt.