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Der Mali-Konflikt und die UN

Trotz mehrerer Friedens­abkommen bleiben gewalt­same Aus­einander­setzungen und Anschläge von Terror- und Rebellengruppen traurige Realität in Mali. Die Vereinten Nationen versuchen, im Rahmen der MINUSMA-Mission den Frieden im Land zu sichern. Doch fehlende Reform­bereitschaft der Regierung sowie Perspektiv­losigkeit der Bevölkerung erschweren die Stabilisierung Malis.

Ein Soldat steht vor drei sitzenden afrikanischen Männern.
Ein Blauhelmsoldat der MINUSMA (UN Photo/Marco Dormino)

Wie entstand der Konflikt?

Mali ist eine ehe­malige französische Kolonie und erhielt seine Un­ab­hängig­keit im Jahr 1960. Die große Mehr­heit der Bevölkerung Malis lebt im Süden des Landes. Schon lange fühlten sich die im Norden lebenden Tuareg von der Regierung un­gleich behandelt. Seit 1963 kam es immer wieder zu Rebellionen durch die Tuareg (1963, 1990, 1994-2000, 2006 und 2012). Sie kritisierten, dass sie von der malischen Regierung marginalisiert würden und forderten weit­gehende Autonomie für ihre Gebiete im nördlichen Teil des Landes. Die Auf­stände brachen zumeist nach Krisen oder in­mitten von Trans­formations­prozessen aus. Nach dem ersten Aufstand 1963 wurde der Norden Malis zunehmend hinten­angestellt. Mehrere Friedens­abkommen sollten die Beziehung zwischen den Tuareg und arabischen Gruppen ver­bessern und die Lage stabilisieren. Allerdings wurde bislang keines der Abkommen erfolgreich umgesetzt.

Konfliktlinien und beteiligte Akteure

Der letzte Aufstand der Tuareg begann im Jahr 2012. Indirekt wurde er durch den Fall des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi begünstigt. Nach dessen Tod kehrten zahl­reiche Tuareg schwer­bewaffnet nach Mali zurück. Die Rebellen besetzten große Gebiete im Norden Malis und setzten dort das Recht der Scharia durch. Die malische Armee reagierte auf die zahl­reichen Nieder­lagen mit einem Putsch gegen den damaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré. Als Haupt­grund für den Putsch wurde die nur un­zu­reichende B­ewaffnung der malischen Armee genannt. Das Macht­vakuum, das dem Putsch folgte, gab Tuareg- sowie islamistischen Gruppen die Möglich­keit, weitere Gebiete im Norden Malis zu erobern. Auf Druck der Afrikanischen Union (AU) und der Wirtschafts­gemeinschaft der west­afrika­nischen Staaten (ECOWAS) trat Präsident Touré zurück und eine Übergangs­regierung wurde gebildet. Von 2013 bis 2020 regierte Ibrahim Boubacar Keïta als Präsident Malis. Seine Amtszeit endete im August 2020 durch einen Putsch. Im Mai 2021 kam es zu einem erneuten Putsch durch Offizier Assimi Goïta, der daraufhin das Präsidentenamt übernahm. Zwar versprach die Führung eine Rückkehr Malis zur Demokratie, verschob den angekündigten Wahltermin dann jedoch auf Ende 2024.

Im Mai 2015 wurde ein weiteres Friedens­abkommen geschlossen. Dennoch existieren zahl­reiche Konflikt­herde weiter­hin – vor allem in den nörd­lichen Regionen Malis, die eine erfolgreiche Umsetzung des Abkommens erschwerten. Neben den Tuareg-Rebellen gibt es mittler­weile auch zahl­reiche andere bewaffnete Gruppen. Außer­halb von Stadt­zentren können die nationalen und inter­nationalen Einsatz­kräfte keine Sicher­heit garantieren. Hier finden verstärkt Drogen­handel, Waffen­schmuggel und Ent­führungen statt. Im Dezember 2022 verkündete eine Koalition bewaffneter Gruppen, sich nicht mehr an das Abkommen binden zu wollen, weil die Militärregierung sich nicht genügend um Umsetzung bemühe.

Auch die zentral­malischen Regionen um die Städte Mopti und Ségou sind mehr und mehr von ethnisch auf­geladenen Konflikten geprägt, ebenso wie der Süden. Diese Teile Malis wurden im Friedens­abkommen kaum beachtet, leiden aber seit langem unter der Instabilität des Nordens. Hier treten vermehrt islamistisch-fundamentalistische Gruppen in Erscheinung.

Eine Frau mit Blauhelm, Schutzweste und Waffe ist umringt von afrikanischen Kindern.
Polizeieinheit der MINUSMA auf Patrouille in der Stadt Gao (UN Photo/Marco Dormino)

Die Rolle der Internationalen Gemeinschaft

Einige Staaten und inter­nationale Orga­nisationen haben aus ver­schiedenen Gründen ein Interesse an der Stabilität Malis. Die Vereinten Nationen fürchten, dass Islamisten Mali nutzen könnten, um ganz West­afrika zu destabilisieren. Mitunter sieht sich das Nachbar­land Niger einer verstärkten isla­mistischen Bedrohung ausgesetzt. Hier spielen auch Ressourcen eine Rolle. Niger ist der Haupt­lieferant für das von Frank­reich genutzte Uran. Des Weiteren befürchtet Frank­reich, dass terroristische Gruppen Mali zum Rekrutieren von Kämpferinnen und Kämpfern nutzen, die wiederum Anschläge auf europäische Ziele begehen könnten. Auch andere europäische Staaten setzen sich verstärkt für die Stabilität Malis ein, da durch das Land eine zentrale Flucht­route verläuft.

Auf Bitten der malischen Regierung griff Frank­reich Anfang 2013 in den Konflikt ein. Seit 2013 ist die inter­nationale Gemein­schaft mit der mehr­dimensionalen integrierten Stabilisierungs­mission der Vereinten Nationen in Mali (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali – MINUSMA) beauftragt, den Frieden zu sichern. Die UN-Friedens­mission wurde am 25. April 2013 mit Resolution 2100 vom Sicher­heits­rat beauftragt. Mit rund 12 000 Blau­helm­soldaten ist sie auch heute noch eine der größten Missionen welt­weit. Ihre Haupt­aufgaben sind der Schutz der Zivil­bevölkerung und die Unter­stützung nationaler Sicher­heits­kräfte. Auch die Bundes­wehr ist seit 2013 in Mali vertreten. Ihr Ziel besteht in der Bekämpfung von Flucht­ursachen. Sie engagiert sich logistisch, in der Auf­klärung und in der medizinischen Ver­sorgung. Neben ihrem Engagement inner­halb der MINUSMA beteiligt sich die Bundes­wehr an der EU-geführten Aus­bildungs­mission EUTM in Mali. Doch der Einsatz wird auch in Deutschland vermehrt kritisch hinterfragt. Frankreich und weitere Staaten zogen wegen der Verschiebung der Wahlen, der zahlreichen Behinderungen durch die malische Militärjunta und des Einsatzes russischer Söldner der Gruppe Wagner bereits 2022 ihre Truppen ab. Am 30. Juni 2023 beschloss der Sicherheitsrat, das Mandat der MINUSMA letztmals um sechs Monate zu verlängern. Die UN-Friedenstruppen sollen bis Ende 2023 abgezogen werden.

Mali gilt als einer der gefährlichsten Einsatz­orte für UN-Blau­helme. MINUSMA unterstützt unter anderem die Umsetzung des Friedens­abkommens von 2015. Ein echter Friedens­prozess existiert jedoch lediglich auf dem Papier. Die von den Putschisten gebildete Regierung steht MINUSMA äußerst kritisch gegenüber und fordert immer wieder den Abzug der Truppen. Die Zahl der Terroristen hat sich in den letzten fünf Jahren erhöht. Angriffe terroristischer Gruppen finden nicht mehr nur in Stadt­zentren statt, sondern auch in ländlichen Gegenden. Die Ursachen können nur sehr bedingt vom inter­nationalen Personal bekämpft werden. In weiten Teilen des Landes kann der Staat keine Grund­versorgung an Wasser, Gesund­heit, Bildung und Strom gewähr­leisten. Frust und Perspektiv­losigkeit der Bevölkerung spielen bewaffneten Gruppen in die Hände. Die Aussicht auf schnelles Geld bringt vor allem junge Menschen dazu, sich einer Rebellen­gruppe anzus­chließen.

Eine Verständigungs­konferenz im Jahr 2017 brachte zutage, dass Faktoren wie schlechte Regierungs­führung, un­gleicher Ressourcen­zugang, Korruption und mangelnde Rechts­staat­lich­keit dem Friedens­prozess im Wege stehen. Diese Faktoren können vom inter­nationalen Personal nicht direkt gelöst werden. Der Friedens­prozess in Mali bleibt schleppend und die Lage für inter­nationale Einsatz­kräfte ist gefährlicher denn je.