Der Mali-Konflikt und die UN
Trotz mehrerer Friedensabkommen bleiben gewaltsame Auseinandersetzungen und Anschläge von Terror- und Rebellengruppen traurige Realität in Mali. Die Vereinten Nationen versuchen, im Rahmen der MINUSMA-Mission den Frieden im Land zu sichern. Doch fehlende Reformbereitschaft der Regierung sowie Perspektivlosigkeit der Bevölkerung erschweren die Stabilisierung Malis.

Wie entstand der Konflikt?
Mali ist eine ehemalige französische Kolonie und erhielt seine Unabhängigkeit im Jahr 1960. Die große Mehrheit der Bevölkerung Malis lebt im Süden des Landes. Schon lange fühlten sich die im Norden lebenden Tuareg von der Regierung ungleich behandelt. Seit 1963 kam es immer wieder zu Rebellionen durch die Tuareg (1963, 1990, 1994-2000, 2006 und 2012). Sie kritisierten, dass sie von der malischen Regierung marginalisiert würden und forderten weitgehende Autonomie für ihre Gebiete im nördlichen Teil des Landes. Die Aufstände brachen zumeist nach Krisen oder inmitten von Transformationsprozessen aus. Nach dem ersten Aufstand 1963 wurde der Norden Malis zunehmend hintenangestellt. Mehrere Friedensabkommen sollten die Beziehung zwischen den Tuareg und arabischen Gruppen verbessern und die Lage stabilisieren. Allerdings wurde bislang keines der Abkommen erfolgreich umgesetzt.
Konfliktlinien und beteiligte Akteure
Der letzte Aufstand der Tuareg begann im Jahr 2012. Indirekt wurde er durch den Fall des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi begünstigt. Nach dessen Tod kehrten zahlreiche Tuareg schwerbewaffnet nach Mali zurück. Die Rebellen besetzten große Gebiete im Norden Malis und setzten dort das Recht der Scharia durch. Die malische Armee reagierte auf die zahlreichen Niederlagen mit einem Putsch gegen den damaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré. Als Hauptgrund für den Putsch wurde die nur unzureichende Bewaffnung der malischen Armee genannt. Das Machtvakuum, das dem Putsch folgte, gab Tuareg- sowie islamistischen Gruppen die Möglichkeit, weitere Gebiete im Norden Malis zu erobern. Auf Druck der Afrikanischen Union (AU) und der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) trat Präsident Touré zurück und eine Übergangsregierung wurde gebildet. Von 2013 bis 2020 regierte Ibrahim Boubacar Keïta als Präsident Malis. Seine Amtszeit endete im August 2020 durch einen Putsch. Im Mai 2021 kam es zu einem erneuten Putsch durch Offizier Assimi Goïta, der daraufhin das Präsidentenamt übernahm. Zwar versprach die Führung eine Rückkehr Malis zur Demokratie, verschob den angekündigten Wahltermin dann jedoch auf Ende 2024.
Im Mai 2015 wurde ein weiteres Friedensabkommen geschlossen. Dennoch existieren zahlreiche Konfliktherde weiterhin – vor allem in den nördlichen Regionen Malis, die eine erfolgreiche Umsetzung des Abkommens erschwerten. Neben den Tuareg-Rebellen gibt es mittlerweile auch zahlreiche andere bewaffnete Gruppen. Außerhalb von Stadtzentren können die nationalen und internationalen Einsatzkräfte keine Sicherheit garantieren. Hier finden verstärkt Drogenhandel, Waffenschmuggel und Entführungen statt. Im Dezember 2022 verkündete eine Koalition bewaffneter Gruppen, sich nicht mehr an das Abkommen binden zu wollen, weil die Militärregierung sich nicht genügend um Umsetzung bemühe.
Auch die zentralmalischen Regionen um die Städte Mopti und Ségou sind mehr und mehr von ethnisch aufgeladenen Konflikten geprägt, ebenso wie der Süden. Diese Teile Malis wurden im Friedensabkommen kaum beachtet, leiden aber seit langem unter der Instabilität des Nordens. Hier treten vermehrt islamistisch-fundamentalistische Gruppen in Erscheinung.

Die Rolle der Internationalen Gemeinschaft
Einige Staaten und internationale Organisationen haben aus verschiedenen Gründen ein Interesse an der Stabilität Malis. Die Vereinten Nationen fürchten, dass Islamisten Mali nutzen könnten, um ganz Westafrika zu destabilisieren. Mitunter sieht sich das Nachbarland Niger einer verstärkten islamistischen Bedrohung ausgesetzt. Hier spielen auch Ressourcen eine Rolle. Niger ist der Hauptlieferant für das von Frankreich genutzte Uran. Des Weiteren befürchtet Frankreich, dass terroristische Gruppen Mali zum Rekrutieren von Kämpferinnen und Kämpfern nutzen, die wiederum Anschläge auf europäische Ziele begehen könnten. Auch andere europäische Staaten setzen sich verstärkt für die Stabilität Malis ein, da durch das Land eine zentrale Fluchtroute verläuft.
Auf Bitten der malischen Regierung griff Frankreich Anfang 2013 in den Konflikt ein. Seit 2013 ist die internationale Gemeinschaft mit der mehrdimensionalen integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali – MINUSMA) beauftragt, den Frieden zu sichern. Die UN-Friedensmission wurde am 25. April 2013 mit Resolution 2100 vom Sicherheitsrat beauftragt. Mit rund 12 000 Blauhelmsoldaten ist sie auch heute noch eine der größten Missionen weltweit. Ihre Hauptaufgaben sind der Schutz der Zivilbevölkerung und die Unterstützung nationaler Sicherheitskräfte. Auch die Bundeswehr ist seit 2013 in Mali vertreten. Ihr Ziel besteht in der Bekämpfung von Fluchtursachen. Sie engagiert sich logistisch, in der Aufklärung und in der medizinischen Versorgung. Neben ihrem Engagement innerhalb der MINUSMA beteiligt sich die Bundeswehr an der EU-geführten Ausbildungsmission EUTM in Mali. Doch der Einsatz wird auch in Deutschland vermehrt kritisch hinterfragt. Frankreich und weitere Staaten zogen wegen der Verschiebung der Wahlen, der zahlreichen Behinderungen durch die malische Militärjunta und des Einsatzes russischer Söldner der Gruppe Wagner bereits 2022 ihre Truppen ab. Am 30. Juni 2023 beschloss der Sicherheitsrat, das Mandat der MINUSMA letztmals um sechs Monate zu verlängern. Die UN-Friedenstruppen sollen bis Ende 2023 abgezogen werden.
Mali gilt als einer der gefährlichsten Einsatzorte für UN-Blauhelme. MINUSMA unterstützt unter anderem die Umsetzung des Friedensabkommens von 2015. Ein echter Friedensprozess existiert jedoch lediglich auf dem Papier. Die von den Putschisten gebildete Regierung steht MINUSMA äußerst kritisch gegenüber und fordert immer wieder den Abzug der Truppen. Die Zahl der Terroristen hat sich in den letzten fünf Jahren erhöht. Angriffe terroristischer Gruppen finden nicht mehr nur in Stadtzentren statt, sondern auch in ländlichen Gegenden. Die Ursachen können nur sehr bedingt vom internationalen Personal bekämpft werden. In weiten Teilen des Landes kann der Staat keine Grundversorgung an Wasser, Gesundheit, Bildung und Strom gewährleisten. Frust und Perspektivlosigkeit der Bevölkerung spielen bewaffneten Gruppen in die Hände. Die Aussicht auf schnelles Geld bringt vor allem junge Menschen dazu, sich einer Rebellengruppe anzuschließen.
Eine Verständigungskonferenz im Jahr 2017 brachte zutage, dass Faktoren wie schlechte Regierungsführung, ungleicher Ressourcenzugang, Korruption und mangelnde Rechtsstaatlichkeit dem Friedensprozess im Wege stehen. Diese Faktoren können vom internationalen Personal nicht direkt gelöst werden. Der Friedensprozess in Mali bleibt schleppend und die Lage für internationale Einsatzkräfte ist gefährlicher denn je.