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Die demokratische Revolution im Sudan

Mit erstaunlicher Kraft entfaltet sich im Sudan seit Dezember 2018 eine demokratische Revolution, die der Diktatur von Umar al-Bashir ein jähes Ende setzte. Doch der Übergang in eine demokratische Zukunft bleibt ein steiniger Weg.

Wütende Demonstranten vor der Universität Zalingei in West Darfur/Sudan mit erhobenen Fäusten und einem großen Transparent im Dezember 2010.
Demonstrantion vor der Universität Zalingei in West Darfur/Sudan im Dezember 2010, bei der mindestens eine Person ums Leben kam. (UN Photo/Albert González Farran)

Seit 1989 führte der Diktator al-Bashir das Land mit eiserner Hand. Oppositionelle wurden unterdrückt, Gewerkschaften verboten, die Presse gegängelt und Frauen durch eine drakonische Sharia-Gesetzgebung diskriminiert. Während Korruption und Vetternwirtschaft die Menschen in Armut verdammten, gingen bis zu 80 Prozent des Staatshaushaltes in den enormen Apparat aus Militär, Geheimdiensten und Milizen. Allein der Völkermord in Darfur führte nach Schätzungen zu 500.000 Toten, zehntausenden Vergewaltigungen und 2,8 Millionen vertriebenen Menschen.
 

Jahrzehnte der Diktatur und internationalen Isolation

Von der internationalen Gemeinschaft weitgehend isoliert, engagierten sich äußere Akteure vor allem bei der Eindämmung der humanitären Krise, wie die Vereinten Nationen durch ihre Hilfswerke oder mit der gemeinsamen Mission mit der Afrikanischen Union, UNAMID. Die EU wiederum versuchte seit 2014 vornehmlich die Migration aus und über den Sudan in Richtung Mittelmeer zu beschränken und kooperierte zu diesem Zweck mit al-Bashirs Regime über den Khartoum-Prozess – eine Politik, die aufgrund heftiger Kritik im Frühjahr 2019 auf Eis gelegt wurde.
 

Ausbruch der Revolution

Zu diesem Zeitpunkt war im Sudan eine demokratische Revolution in vollem Gange. Beginnend mit Protesten gegen steigenden Lebensmittelpreise im Dezember 2018, breitete sich die Revolte rapide auf große Teile des Landes aus und radikalisierte ihre Forderungen zum Sturz des Militärregimes. Die Wucht der Proteste und des gewaltfreien zivilen Ungehorsams trafen das Regime unvorbereitet. Zentral bei den Protesten agierten ein großes Bündnis oppositioneller Gruppen innerhalb der Forces of Freedom and Change (FFC), der Gewerkschaftsverband Sudanese Professionals Assocation sowie die landesweiten Widerstandskomitees, die sich dezentral organisieren. Wesentlich in allen Gruppierungen war die treibende Kraft von Frauen, die ihre jahrzehntelange Unterdrückung mit Entschlossenheit bekämpften.

Besorgt über die eigene Machtposition kehrte das Militär al-Bashir im April 2019 den Rücken und setzte sich selbst als Regierung ein – in Form eines militärischer Übergangsrat (TMC). Eine mächtige Rolle spielte darin (und spielt bis heute) Mohamed Dagalo, bekannt als „Hemedti“. Er ist der Anführer der berüchtigten paramilitärischen Truppe Rapid Support Forces (RSF). Diese wurden als „Janjaweed“ während des Darfur-Krieges von al-Bashir gegründet und war wesentlich am Völkermord dort beteiligt. Später waren sie – im Rahmen des Khartoum-Prozess– als Grenzschützer tätig. Die Hauptstadt Khartoum war effektiv unter der Kontrolle der RSF, die auch im Jemen-Krieg kämpfte und somit starke Unterstützung der Golf-Staaten erhielt. So war es nicht verwunderlich, dass der TMC mit großer Härte gegen die anhaltenden Proteste vorging. Am 3. Juni 2019 kam es zum Khartoum-Massaker, bei dem ein friedlicher Sit-in vor dem Militärhauptquartier durch gezielte Ermordungen, Folter und Vergewaltigungen brutal zerschlagen wurde.
 

Der Anfang des Endes der Militärherrschaft?

Während bis heute die verantwortlichen Militärs und Sicherheitsbehörden ihre Verantwortung zu relativieren versuchen, führte die Empörung über das Massaker zu den bis dahin größten landesweiten Aktionen des zivilen Ungehorsams. Unter dem Druck der vereinten Opposition stimmte der TMC der Bildung einer Übergangsregierung zu, die bis zur Abhaltung freier Wahlen im Jahr 2022 im Amt bleiben soll. Seitdem teilen sich Vertreter des Militärs sowie des zivilen FFC die Macht. Die letzte Kontrolle über Sicherheits- und Innenpolitik liegt weiterhin beim Souveränen Rat, angeführt von General al-Burhan und Hemedti als mächtiges Mitglied. Als ziviler Premierminister wurde Abdallah Hamdok ernannt, der zuvor unter anderem für die UN-Wirtschaftskommission für Afrika (UNECA) tätig war. Der Kompromiss zwischen Militär und FFC sowie die Verteilung der Schlüsselpositionen sind umstritten. Insbesondere die peripheren Regionen und Frauen fühlen sich unterrepräsentiert. Forderungen nach einer paritätischen Besetzung der Ämter blieben bislang unerfüllt.
 

Herausforderungen des Übergangs

Die Stellvertretende Generalsekretärin Amina J. Mohammed (rechts) empfängt in New York Abdalla Hamdok, Premierminister von Sudan. (UN Photo/Kim Haughton)

Trotz anhaltender Kritik und immer wieder aufflammender Proteste gegen Lebensmittel- und Treibstoffknappheit, zeigen sich erste positive Entwicklungen. So wurde das frauenfeindliche Public Order Law zurückgenommen. Die Presse scheint sich nach Einschätzung der nichtstaatlichen Organisation Reporter ohne Grenzen freier entfalten zu können. Der Einfluss der Geheimdienste wird eingedämmt und einzelne Personen aus dem Sicherheitsapparat und hohe Funktionäre des alten Regimes (darunter al-Bashir) werden zur Verantwortung gezogen

Zugleich sind in der Übergangsregierung viele Vertreter des alte Regime vertreten und behindern eine demokratische Transformation. Revolten von Geheimdienstlern, ein missglückter Mordanschlag auf den Premierminister und regelmäßige tödliche Zusammenstöße zeugen von einem ungebrochenen Willen der alten Eliten, die Zügel nicht aus der Hand zu geben. Dies spiegelt sich in einem weiterhin starken Misstrauen gegenüber der Justiz, der die Menschen nicht zutrauen, gegen Machtmissbrauch und Korruption effektiv vorzugehen.

Hingegen gilt das kürzlich erreichte Friedensabkommen von Juba zwischen der Regierung und einem Großteil der Rebellengruppen aus Dafur, Süd-Kordofan und Blue Nile als großer Erfolg. Auch hier bleibt die Lage jedoch gespannt, da zahlreiche Stimmen aus anderen Rebellengruppen sowie Parteien und Vertretern der Vertriebenen ihre Forderungen in dem Friedensabkommen nicht repräsentiert sehen.
 

Die neue Rolle der Vereinten Nationen

Aktuell ist die Lage im Sudan stark durch die Auswirkungen der COVID-Epidemie und einer rasanten Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage bestimmt. So erklärte die Regierung im März zunächst den medizinischen und dann im April den wirtschaftlichen Notstand. Erneut kommt es zu landesweiten Protesten wegen steigender Lebensmittelpreise, hoher Inflation und Sparmaßnahmen. Die Staatsverschuldung ist enorm und durch die Auflistung des Sudan als Unterstützer des internationalen Terrorismus durch die USA sieht sich die Regierung weiterhin auf den Finanzmärkten isoliert.

Die Vereinten Nationen sind nach der Öffnung des Landes wieder durch den Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) im Land präsent. Zudem wurde die bereits erwähnte UNAMID-Mission auf Wunsch der sudanesischen Regierung bis Dezember 2020 verlängert. Ab Januar 2021 soll dann eine neue Mission, UNITAMS. Die Resolution 2524 nennt als Ziele die Unterstützung des demokratischen Übergangs, der Umsetzung des Friedensabkommens, des Schutzes der Bevölkerung in Darfur sowie die Mobilisierung internationaler Entwicklungshilfe. Der Erfolg wird wesentlich davon abhängen, ob die Bevölkerung die Mission als Verbündeten gegen Jahrzehnte der Fremdbestimmung anerkennen wird.


Wasil Schauseil

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