Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in eine atomwaffenfreie Welt
In einer Zeit, in der die Gefahr, die von Atomwaffen ausgeht, eine beängstigende Aktualität gewonnen hat, sendete das erste Staatentreffen zum Atomwaffenverbotsvertrag ein wichtiges Signal für nukleare Abrüstung: Es war die erste UN-Konferenz seit Beginn des Russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, die zu Atomwaffen tagte. Sie bot den teilnehmenden Staaten ein multilaterales Forum, um sich gemeinsam für die Ächtung dieser Massenvernichtungswaffe einzusetzen und Drohungen mit ihrem Einsatz zu verurteilen. Der Präsident der Konferenz, der österreichische Botschafter Alexander Kmentt, schloss das Treffen mit den Worten: „Während alle Indikatoren für Atomwaffen in die falsche Richtung weisen, zeigen wir ganz klar in die richtige Richtung“
Die Staatenkonferenz, die von 21. bis 23. Juni 2022 bei den Vereinten Nationen in Wien stattfand, endete nach drei langen Sitzungstagen mit Standing Ovations. Ihre Ergebnisse lassen sich durchaus als Erfolg bezeichnen: Durch die Verabschiedung eines Aktionsplans mit konkreten Maßnahmen ebnete die Konferenz den Weg für eine konstruktive Umsetzung des Atomwaffenverbots.
Seit fünf Jahren sind Atomwaffen verboten
Der Atomwaffenverbotsvertrag selbst lässt sich als ein Meilenstein der nuklearen Abrüstung und als ein Sieg der multilateralen Diplomatie bezeichnen. Als am 07. Juli 2017 in den Vereinten Nationen 122 Staaten für den UN-Vertrag stimmten, wurde eine große Lücke des Völkerrechts geschlossen. Erstmals existierte ein völkerrechtliches Instrument, das Atomwaffen ächtet und alle Vertragsstaaten zur vollständigen nuklearen Abrüstung verpflichtet. Nachdem 50 Staaten ratifiziert hatten, trat der Vertrag am 22. Januar 2021 schließlich in Kraft. Damit wurde das Verbot von Atomwaffen Bestandteil des internationalen Völkerrechts.
Die Konferenz im Juni 2022 in Wien hatte nun zum Ziel, die Bestimmungen aus dem Vertrag mit Leben zu füllen und seine konkrete Umsetzung zu regeln. Das Interesse an dieser historischen UN-Konferenz war groß: Neben insgesamt 83 Staaten nahmen hunderte Personen von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen aus aller Welt teil.
Als eine der ersten Rednerinnen berichtete der Künstler und Aktivist Karipbek Kuyukov aus Kasachstan von seiner persönlichen Geschichte. Weil seine Eltern der Strahlung nach Atomwaffentests ausgesetzt waren, kam er ohne Arme auf die Welt. Die Konferenz machte deutlich, dass die Überlebenden von Atomwaffeneinsätzen und -tests im Mittelpunkt jeder Diskussion zur Ächtung von Atomwaffen stehen müssen.
Atomare Drohungen aufs Schärfste verurteilt
Vor dem Hintergrund des Russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zeigten sich die Vertragsstaaten alarmiert über Drohungen eines Einsatzes von Atomwaffen. Die Vertragsstaaten verurteilen diese nukleare Rhetorik aufs Schärfste. Eine solch klare Haltung ist für UN-Prozesse außergewöhnlich. Die politische Erklärung, die auf der Konferenz verabschiedet wurde, ist die bislang deutlichste multilaterale Verurteilung nuklearer Drohungen.
Ein Novum auf der Konferenz war auch, dass eine internationale parlamentarische Delegation von rund 40 Abgeordneten aus 17 Ländern teilnahm. Die deutsche Bundestagsabgeordnete Merle Spellerberg verlas ein Statement der Delegation, in der die Unterzeichnenden betonten, ihre „Anstrengungen zu verdoppeln, um die Zahl der Mitglieder des Vertrags zu erweitern und seine Umsetzung zu unterstützen“.
Ein Aktionsplan legt konkrete Schritte für die Umsetzung fest
Die Vertragsstaaten einigten sich auf praktische Maßnahmen und einen Aktionsplan, um den UN-Vertrag erfolgreich umzusetzen:
- Die Staaten bekräftigen, dass der Atomwaffenverbotsvertrag ein humanitärer Abrüstungsvertrag ist: Staaten sind dazu verpflichtet, Menschen zu unterstützen, die von den katastrophalen Auswirkungen von Atomwaffeneinsätzen und -tests betroffen sind. Außerdem müssen sie die Umwelt in kontaminierten Gebieten sanieren. Für die Finanzierung dieser Aufgaben wird jetzt die Einrichtung eines internationalen Treuhandfonds geprüft.
- Der Atomwaffenverbotsvertrag gewinnt mit jedem Staat, der beitritt, an Gewicht und Einfluss. Deswegen verpflichten sich die Vertragsstaaten, die Universalisierung des Vertrags zu priorisieren. Das bedeutet, dass sie zum Beispiel diplomatische Besuche bei Staaten durchführen, die dem Vertrag nicht beigetreten sind, oder die Bedeutung des Vertrags in Statements bei den UN betonen.
- Die Staaten einigten sich auf Fristen für die Beseitigung von Nuklearwaffen: Atomwaffenstaaten, die dem Vertrag beitreten, müssen ihre Atomwaffenarsenale innerhalb von 10 Jahren vernichten. Für Staaten wie Deutschland, die Atomwaffen auf ihrem Territorium stationiert haben, gilt ab Vertragsbeitritt eine Frist von 90 Tagen für den Abzug der Waffen.
- Die Vertragsstaaten sagten zu, die Zusammenarbeit mit betroffenen Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft weiter zu stärken. Außerdem wollen sie ihre Verpflichtungen zu Gendergerechtigkeit umsetzen und eine wissenschaftliche Beratungsgruppe einrichten, die bei der Umsetzung des Vertrags unterstützt.
Deutschlands Rolle auf der Staatenkonferenz
Deutschland ist dem Atomwaffenverbotsvertrag nicht beigetreten und konnte deshalb nicht als Vertragsstaat an der Konferenz teilnehmen. Wie die NATO-Staaten Belgien, Niederlande und Norwegen nahm Deutschland jedoch beobachtend an der Konferenz teil. Damit löst sich die Bundesregierung ein Stück weit von der früheren, stark ablehnenden Haltung gegenüber dem Vertrag.
Der Repräsentant der Bundesregierung Rüdiger Bohn sagte in seinem Statement einleitend, dass die Staatenkonferenz als wichtiges Ereignis in den internationalen nuklearen Abrüstungsbemühungen gesehen werde. Er betonte aber, dass die Bundesregierung der Meinung sei, dem Vertrag nicht beitreten zu können, solange die NATO eine Strategie der nuklearen Abschreckung verfolge. Gleichzeitig jedoch signalisierte er Interesse an einer Zusammenarbeit bei den Themen Opferhilfe und Umweltsanierung. Die Tür für einen Beitritt Deutschlands zum Vertrag bleibt damit (vorerst) geschlossen – die Tür für eine konstruktive Zusammenarbeit hat die Bundesregierung jedoch geöffnet.
Die nächste Staatenkonferenz findet 2023 statt
Die Ergebnisse der Konferenz zeigen einen klaren Weg auf, wie eine Welt ohne Atomwaffen möglich werden kann. Für die Vertragsstaaten fängt jetzt die eigentliche Arbeit an: Sie treffen sich in kleineren Arbeitsgruppen und stellen ihre Ergebnisse bei der nächsten Konferenz Ende 2023 bei den UN in New York unter dem Vorsitz Mexikos vor.
Die Konferenz machte deutlich, dass die Vertragsstaaten es ernst meinen: Sie akzeptieren die nukleare Bedrohung nicht, sondern nutzen ihre Ressourcen, Fachwissen und Diplomatie, um das Verbot von Atomwaffen weiter um- und durchzusetzen. Ihren Willen dazu bekräftigten sie in der verabschiedeten politischen Erklärung. Diese schließt mit den Worten: „Wir werden nicht ruhen, bis der letzte Staat dem Vertrag beigetreten ist, der letzte Sprengkopf abgebaut und zerstört wurde und Atomwaffen vollständig von der Erde verbannt worden sind.“
Von Anila Fischer, ICAN Deutschland