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Keineswegs UNtätig! Die Vereinten Nationen und der Ukraine-Krieg

Während der UN-Sicherheitsrat angesichts des russischen Angriffskriegs blockiert ist, wurde die Generalversammlung ein zentrales Forum und globales Stimmungsbarometer. Die vielfältigen Aktivitäten weiterer UN-Akteure nimmt die Öffentlichkeit indes kaum wahr.

Der ukrainische Außenminister sitzt am halbrunde Tisch des Sicherheitsrates und spricht in ein Mikrofon, im Hintergrund sitzen weitere ukrainische Diplomaten mit ernstem Gesicht.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba spricht im Sicherheitsrat. (UN Photo/Evan Schneider)

Während am 24. Februar 2022 in New York der UN-Sicherheitsrat tagte, um eine Eskalation der Situation doch noch zu verhindern, begannen zeitgleich russische Angriffe auf die Ukraine. Eine Zeitenwende für die deutsche Friedens- und Sicherheitspolitik, eine Wasserscheide für die europäische und globale Ordnung. Der russische Angriffskrieg verletzt grundlegende Prinzipien des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen. Zwar ist der Sicherheitsrat erwartungsgemäß blockiert, die Generalversammlung verabschiedete aber seit Kriegsausbruch sechs Resolutionen, die grundlegende Prinzipien der UN bekräftigen. Sehr viel weniger Aufmerksamkeit erfahren die vielfältigen Aktivitäten im UN-System, die jenseits von Sicherheitsrat und Generalversammlung stattfinden – sie reichen vom Einsetzen einer Ermittlungskommission über Initiativen des UN-Generalsekretärs Guterres bis hin zur humanitären Hilfe.

Der Sicherheitsrat: Blockiert und doch arbeitsfähig

Der Sicherheitsrat trägt laut UN-Charta die Hauptverantwortung für die Wahrung von internationalem Frieden und Sicherheit. Kurz nach Kriegsbeginn scheiterte am 25. Februar 2022 ein Resolutionsentwurf, der die russische Invasion verurteilen sollte, an Russland, das als ständiges Sicherheitsratsmitglied über ein Vetorecht verfügt. In der Folge verwies der Sicherheitsrat die Situation im Rahmen des ‚Uniting for Peace‘-Verfahrens an die Generalversammlung.

Obwohl keine Resolutionen zur Ukraine verabschiedet werden konnten, fanden seit Beginn des Krieges dennoch eine Vielzahl von Sitzungen des Sicherheitsrates statt: Sie wurden einerseits von den USA und europäischen Staaten einberufen und genutzt, um die russische Aggression und die katastrophalen Folgen, gerade auf die Zivilbevölkerung, zu verurteilen. Auf der anderen Seite initiierte auch Russland Sitzungen, um die eigene Sichtweise zu propagieren. Der Experte Richard Gowan charakterisiert dies als ein „politisches Theater“.

Befürchtungen, dass der Konflikt den Sicherheitsrat weitgehend handlungsunfähig machen würde, bestätigten sich nur teilweise. So verschärfte der Krieg bereits existierende Konfliktlinien zwischen den permanenten Mitgliedern. Auch zukünftig sind keine Ergebnisse des Sicherheitsrates hinsichtlich des Ukraine-Kriegs zu erwarten; dennoch konnte eine „minimale Zusammenarbeit“ beispielsweise zur Verlängerung von Friedensmissionen aufrechterhalten werden. Wie lange dies bei einer weiteren Eskalation des Konflikts so bleiben wird, ist aber mehr als fraglich.

Tafel mit Abstimmungsergebnis zur Resolution zum Ukraine-Krieg.
Mit 141 Ja-Stimmen beschließt die Generalversammlung die Resolution vom 23. Februar 2023. (UN Photo/Loey Felipe)

Die Generalversammlung: Vereint für den Frieden?

Drei Tage nach Beginn des Krieges trat die Generalversammlung in einer Notstandssondertagung zusammen. Insgesamt fünf Resolutionen zum Ukraine-Krieg verabschiedete sie im Jahr 2022. Zwar sind diese Resolutionen – im Gegensatz zu denen des Sicherheitsrats – nicht rechtsverbindlich, sie haben aber eine weitreichende symbolische Wirkung. Die Abstimmungsergebnisse gelten zugleich als globales Stimmungsbarometer für die Wahrnehmung des russischen Angriffskriegs.

In der ersten Resolution vom 2. März 2022 wurde die territoriale Souveränität und Integrität der Ukraine bekräftigt, die Resolution verurteilte die russische Invasion und verlangte den Abzug aller russischen Streitkräfte. Bemerkenswert war die Unterstützung für die Resolution, die mit 141 Stimmen (bei 5 Gegenstimmen und 35 Enthaltungen) verabschiedet wurde. Doch wichtige Staaten des internationalen Systems, wie China und Indien, enthielten sich der Stimme. Schon bald wurde eine gewisse ‚Ukraine-Müdigkeit‘ der Staaten des Globalen Südens befürchtet, die besonders unter den Auswirkungen des Krieges auf die globale Ernährungssicherheit und unter steigenden Energiepreisen leiden.

Resolutionen der Generalversammlung für konkrete Maßnahmen gegen Russland fanden dementsprechend weit weniger Unterstützung. So wurde die Resolution zum Ausschluss Russlands aus dem Menschenrechtsrat mit nur 93 Stimmen (bei 24 Gegenstimmen und 58 Enthaltungen) verabschiedet.

Anlässlich des ersten Jahrestags befasste sich die Generalversammlung nun erneut mit dem russischen Angriffskrieg. Im Vorfeld warben die Ukraine und ihre Verbündeten mit Nachdruck um eine breite Unterstützung der Resolution, die nicht unbedingt als sicher gelten konnte. Am 23. Februar 2023 wurde die Resolution wiederum mit 141 Stimmen (bei 7 Gegenstimmen und 32 Enthaltungen) verabschiedet. Sie bekräftigt Elemente vorheriger Resolutionen wie die Forderung des Abzugs aller russischer Truppen, enthält aber auch neue Akzente: So etwa die Notwendigkeit, eine Verantwortlichkeit für Verbrechen gegen internationales Recht zu schaffen und die Folgen des Krieges auf die globale Ernährungssicherheit oder auch nukleare Sicherheit solidarisch zu bearbeiten.

Vielfältige Initiativen

Oft bestimmt die Wahrnehmung von Sicherheitsrat und Generalversammlung die öffentliche Diskussion. Doch die Aktivitäten weiterer UN-Akteure sind vielfältig und bedeutsam. So nahm etwa Guterres bei der Evakuierung von Zivilistinnen und Zivilisten aus dem Stahlwerk Azovstal bei Mariupol und der Verhandlung der Schwarzmeer-Getreide-Initiative eine Vermittlerrolle ein. Der Menschenrechtsrat, aus dessen Reihen Russland durch Beschluss der Generalversammlung ausgeschlossen wurde, hat frühzeitig eine Ermittlungskommission eingesetzt. Sie soll Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts im Kontext des russischen Angriffskriegs untersuchen und Empfehlungen entwickeln, wie Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden können. Für die rund 18 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, die humanitäre Hilfe benötigen, ist beispielsweise der Einsatz des Amts des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zentral.

Viel Bewegung unter dem öffentlichen Radar

Dieser kursorische Blick auf die UN zeigt, dass diese alles andere als UNtätig sind. Zwar wird der Sicherheitsrat seiner Verantwortung für internationalen Frieden und Sicherheit einmal mehr nicht gerecht; die Notwendigkeit der Reform des Gremiums ist lange bekannt und doch in naher Zukunft wenig realistisch. Die UN sind und bleiben dennoch ein zentrales Forum für die internationale Staatengemeinschaft, in den Resolutionen der Generalversammlung zur Ukraine haben die Mitgliedsstaaten zentrale Normen der UN-Charta bekräftigt. Gleichzeitig zeigen die Verhandlungen über die Resolutionsentwürfe Grenzen der Unterstützung und die gespaltene Haltung vieler Staaten auf. Aber auch jenseits von Sicherheitsrat und Generalversammlung waren die Akteure des UN-Systems alles andere als untätig. Sie können eine wichtige Rolle spielen, um etwa humanitäre Folgen und die globalen Auswirkungen des Krieges abzumildern oder auch zukünftig zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln.

Dr. Melanie Coni-Zimmer, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung

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