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Frieden sichern mit der Energiewende

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine macht es deutlich: Die Abhängigkeit von fossilen Energien autoritärer Staaten kann zum Sicherheitsrisiko werden. Doch wie können die UN-Nachhaltigkeitsziele für Klima, saubere Energien, Sicherheit und Frieden zusammengedacht werden?

Eine strahlende Sonne vor blauem Himmel, umgeben von weißen Wolken.
Solarenergie als nachhaltige Stromquelle: Die Sonne leuchtet hell über Tennessee, USA. (UN Photo/R. Kollar)

Der völkerrechtswidrige Einmarsch Russlands in die Ukraine und die darauf folgenden Diskussionen um Sanktionen haben es deutlich vor Augen geführt: viele europäische Länder sind auf russisches Gas angewiesen. Russland ist einer der größten Exporteure fossiler Energien auf dem Weltmarkt. Trotz des Krieges fließen die Einnahmen aus Kohle, Öl und Gas weiter in die russischen Staatskassen – allen voran aus Deutschland. Während der ersten zwei Monate des Krieges in der Ukraine konnten die Einnahmen aus dem Verkauf fossiler Energien fast verdoppelt werden, denn die Verknappung des Angebots treibt die Preise auf dem Weltmarkt rasant in die Höhe.  

Angesichts des Angriffskrieges und mit Blick darauf, dass Präsident Putin fossile Energien als Erpressungsmittel einsetzt und so die Energiesicherheit anderer Länder gefährdet, drängen die EU, die USA und weitere westliche Länder auf eine schnelle Ablösung vom Energiehandelspartner Russland. Diese Umstellung bietet die Möglichkeit, den Ausbau erneuerbarer Energien durch staatliche Investitionen schneller voranbringen. Das wäre laut Einschätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) auch dringend notwendig, um das im Klimaabkommen von Paris festgeschriebene Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen: Demnach dürften keine neuen Öl- und Gasfelder oder Kohlebergwerke gebaut werden. Doch die rasche Transformation hin zu einer klimaneutralen Weltwirtschaft scheint massiv zu scheitern. Dank der hohen Preise sind Investitionen in fossile Energien für Investoren und Energiekonzerne derzeit sehr profitabel. 195 fossile Großbauenergieprojekte werden gegenwärtig geplant und zum Teil bereits umgesetzt.

Das fossil-nukleare Zeitalter im Zeichen von Krieg und Klimakrise

Als moralischen und wirtschaftlichen Irrsinn bezeichnet UN-Generalsekretär António Guterres diesen kurzfristigen Ansatz, trotz Klimakrise in fossile Energien zu investieren. Guterres lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass erneuerbare Lösungen preiswert sind, grüne Arbeitsplätze bereitstellen und Energiesicherheit sowie größere Preisstabilität bieten. Die Erderwärmung und die russische Invasion in der Ukraine stellen laut Guterres außer Frage, dass Klimasicherheit und Energiesicherheit gemeinsam angegangen werden müssen.

Fossile und nukleare Energien können neben der Energiebereitstellung auch zu Kriegszwecken oder zur Ausübung von Macht genutzt werden. Damit ist ihr Einsatz an sicherheitspolitische Entscheidungen geknüpft. Wenn die europäischen Länder nicht so stark auf fossile Brennstoffe aus Russland angewiesen wären, hätte Putin und sein Regime weniger Verhandlungsmacht. Weltweit ermöglichen fossile Energien den Missbrauch durch autokratische Regime. So sind Länder, in denen der Anteil des Erdöls am Bruttoinlandsprodukt mehr als zehn Prozent beträgt, mit 250 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit menschenrechtsverletzende Aggressoren in militärischen Konflikte mit anderen Ländern.

Auch Atomenergien gefährden die internationale Sicherheit. Im Krieg können Atomkraftwerke als Droh- und Machtinstrument eingesetzt werden und zur akuten Bedrohung für die Zivilgesellschaft werden. Das zeigte auch die fünfwöchige russische Übernahme der Atomanlage von Tschernobyl in der Ukraine im Februar 2022. In dieser Zeit zerstörten russische Soldaten Ausrüstungen und Labors der dortigen Strahlentechniker. Die Kampfhandlungen wurden von der UN-Atomenergiebehörde mit großer Sorge verfolgt.

Mit der Energiewende für mehr Frieden

António Guterres wählt angesichts der zögerlich vorangehenden Transformation hin zu einer globalen Energiewende drastische Worte: „Wir müssen die Verschmutzung durch fossile Brennstoffe beenden und den Übergang zu erneuerbaren Energien beschleunigen, bevor wir unsere einzige Heimat verbrennen.“

Laut IEA sind Investitionen in erneuerbare Energien die Verteidigungspolitik der Zukunft, denn sie haben zentrale Bedeutung für die Selbsterhaltungsfähigkeit und Resilienz von Staaten. Damit können sie einen fundamentalen Beitrag für Sicherheit und Frieden leisten.

Die Energiewende könnte zum Friedensprojekt werden, denn der Einsatz erneuerbarer Energien findet meist dezentral und regional statt. Es muss weniger Energie importiert werden, womit geopolitische Konflikte reduziert werden können.

Mit Erneuerbaren für mehr Sicherheit

Ein schneller Umstieg auf erneuerbare Energien ist eine Entscheidung für mehr Sicherheit und Frieden – das belegt ein Blick auf die negativen Auswirkungen der Abhängigkeit vieler westlicher Staaten von den russischen fossilen Energien. Zeitgleich führt das auf fossilen Energien basierende globale Wirtschaftssystem zu Klimafolgen, die bereits heute weltweite Notlagen mit sich bringen: Die Dürre am Horn von Afrika, Überschwemmungen in Südafrika und die extreme Hitze in Indien und Pakistan, um nur einige aktuelle Fälle zu benennen.

Guterres bezeichnet die Energiewende darum als das Friedensprojekt des 21. Jahrhunderts. Denn nur, wenn wir die Ausbeutung des Planeten stoppen, können wir Frieden sichern. Um dieses  Friedensprojekt voranzutreiben, schlägt der UN-Generalsekretär im Rahmen der Veröffentlichung des Berichts der UN-Organisation für Meteorologie über den Zustand des Weltklimas im Mai 2022 fünf wichtige Maßnahmen vor: (1) Alle Technologien für erneuerbare Energien als globale öffentliche Güter behandeln, einschließlich der Beschränkungen des geistigen Eigentums für entsprechende Technologien. (2) Die Sicherung, Ausweitung und Diversifizierung der Versorgungskomponenten und Rohstoffe für erneuerbare Energietechnologien durch eine stärkere internationale Koordinierung. (3) Verfahrungsbeschleunigungen bei Genehmigungen und Ausbau von Solar- und Windkraftprojekten sowie ehrgeizige Ziele für erneuerbare Energien, um Investorinnen, Entwicklern, Verbrauchern und Erzeugerinnen Sicherheit zu bieten. (4) Subventionen auf fossile Brennstoffe beenden. (5) Die Verdreifachung von privaten und öffentlichen Investitionen in erneuerbare Energien.

Mit diesen Maßnahmen unterstreicht Guterres, wie dringend notwendig die Energiewende auch in Bezug auf die weltweite Sicherheitspolitik ist: Durch einen schnellen Ausstieg aus fossilen Energien, den massiven Ausbau erneuerbarer Energien sowie die Umstellung auf nachhaltige Kreislaufwirtschaft können wir die Grundlage für weltweiten Frieden legen.

Von Laura Reiner

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