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Piraterie: Gefahr auf Hoher See, Lösung an Land

Ihr Aussehen und ihre Methoden mögen sich gewandelt haben, doch sie sind und bleiben ein aktuelles Phänomen: Piraten. Als Bedrohung für die internationale Sicherheit verstanden, werden sie mit repressiven Mitteln bekämpft – dabei wäre ein entwicklungspolitischer Ansatz auf lange Sicht sinnvoller.

Mitarbeiter der UN mit blauen Helmen steigen von einem Schlauchboot auf ein größeres Schiff um.
Trainingseinheit einer UN-Mission gegen Piraterie und Schmuggel.

(Foto: MONUSCO Photos/flickr/CC BY-SA 2.0/UN-12-056)

Ob als Freibeuter oder von europäischen Großmächten durch sogenannte Kaperbriefe zur Plünderung beauftragt und ermächtigt – schon immer machten Piraten die Weltmeere unsicher. Die Zeitspanne zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert, als der aufkommende Kolonialismus und der damit verbundene Transport von Reichtümern nach Europa für einen massiven Anstieg der Überfälle durch Piraten sorgten, gilt dabei als das Goldenes Zeitalter der Piraterie.
 

Piraterie heute

Zwar gibt es heute keine Kaperbriefe und große Piratenlegenden mehr, das Phänomen der Piraterie, auch Seeräuberei genannt, existiert jedoch weiter. Definiert ist sie völkerrechtlich in erster Linie in Artikel 15 des Übereinkommens über die Hohe See von 1958 und in Artikel 101 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 (UNCLOS), welches bislang von 167 Staaten unterzeichnet wurde. Bei Seeräuberei handelt es sich demnach um „rechtswidrige Gewalttaten, Eigentumsdelikte oder Freiheitsberaubung begangen für private Zwecke von privaten Akteuren gegen ein anderes Schiff oder Luftfahrzeug oder gegen Personen oder Vermögenswerte an Bord dieses Schiffes oder Luftfahrzeugs auf Hoher See oder an einem Ort, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht.“ Auch die freiwillige Beteiligung an einer solchen Tat oder die Anstiftung hierzu fallen unter die Definition der Seeräuberei. Piraterie wird als Akt für private Zwecke klar von vergleichbaren, durch staatliche Akteure begangenen Handlungen abgegrenzt. Staatlich gelenkte Angriffe auf Schiffe wie sie damals noch durch Kaperbriefe in Auftrag gegeben wurden, fallen somit nicht unter die heutige Definition der Piraterie. 

Auch hat die Vorgehensweise und die Ausstattung der heutigen Piraten mit dem klassischen Piratenmythos nur noch wenig zu tun. Daten aus dem Jahre 2016 machen deutlich, dass Piraten – insbesondere in Westafrika – immer häufiger auf Geiselnahmen zurückgreifen, in gut organisierten Strukturen und Netzwerken agieren, neuste Technologien nutzen und mit Schnellbooten von Mutterschiffen aus operieren.
 

Hotspot Somalia

Ein Boarding-Team der Fregatte FGS Koeln der deutschen EU-Naval Force hielt an und bestieg einen verdächtigen Dhow - März 2012
Mitarbeiter der EU-Naval Force untersuchen ein ver­dächtiges Boot vor Somalia.

(Foto: EUNAFOR/flickr/CC BY-ND 2.0/)

Piraterie gibt es in allen Weltregionen, besonders betroffen war allerdings lange Zeit (und ist in geringerem Ausmaß noch heute) die ostafrikanische Küste vor Somalia. Da Somalia an einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt liegt, die vom Mittelmeer über den Suezkanal ins Rote Meer und den Golf von Aden in den Indischen Ozean führt, sind Handelsschiffe aus aller Welt gezwungen, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen für diese Route zu treffen. Während der Hochzeit der somalischen Piraten, zwischen 2008 und 2011, kosteten diese Sicherheitsvorkehrungen (Versicherungen, Umwege, Schutzausrüstung, Lösegelder) deutsche Reedereien bis zu 5,3 Mrd. Euro jährlich.

Durch einen intensiven militärischen Einsatz von EU und NATO konnte das Problem in der Region nach 2011 weitgehend eingedämmt werden, jedoch warnten die Vereinten Nationen noch im Jahre 2016 davor, das Problem der Piraterie vor Somalia als gelöst zu betrachten. Und tatsächlich, die Piraterie war nicht besiegt. Als 2017 erstmals wieder ein Öltanker vor der somalischen Küste gekapert wurde, betonte Juri Fedotow, Präsident des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), erneut, dass die somalischen Piraten nicht zu unterschätzen seien und rief die internationale Gemeinschaft zu mehr Zusammenarbeit auf.
 

Golf von Guinea – Neues Ziel?

Die Gewässer vor Somalia sind nicht der einzige Piraten-Hotspot in Afrika. So verzeichnete das Internationale Schifffahrtsbüro (IMB) der Internationalen Handelskammer einen starken Anstieg der Piraterie in westafrikanischen Gewässern. Im Jahre 2013 zählte das IMB hier über 51 Angriffe, im Jahre 2018 waren es bereits 201. Erst im August dieses Jahres wurde vor Kamerun ein deutsches Frachtschiff von Piraten gekapert und acht Besatzungsmitglieder als Geiseln genommen. Das Piratenproblem scheint sich damit zunehmend in den Golf von Guinea, dem Gewässer vor den westafrikanischen Staaten Togo, Benin, Nigeria und Kamerun, zu verlagern: Für die erste Jahreshälfte von 2019 spricht das IMB von 75 weltweit als Geisel genommenen Seeleuten, davon allein 62 im Golf von Guinea. 

Internationale Abkommen wie UNCLOS oder das Übereinkommen über die Hohe See definieren nicht nur die Seeräuberei, sie verpflichten auch alle Mitgliedstaaten zur gemeinsamen Bekämpfung der Piraterie (Artikel 100 UNCLOS). Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung spielt dabei eine wichtige Rolle. UNODC verfolgt mit seinem globalen Programm zur Bekämpfung von Kriminalität auf See das Ziel, auf nationaler Ebene die Mechanismen zur Bekämpfung von Piraterie auszubauen, beispielsweise durch die Ausbildung von Sicherheitsbehörden auf See, von Richtern und Staatsanwälten aber auch durch Rechtsreformen. Das Programm, das sowohl in Mittelamerika, in Ost- und Westafrika als auch im Indischen Ozean und im Pazifik aktiv ist, zielt damit in erster Linie auf eine Optimierung der maritimen Strafverfolgung ab.
 

Entwicklung statt Repression

Ob dieser Ansatz auf lange Sicht Früchte trägt, ist jedoch fraglich. Denn durch eine effektive Strafverfolgung werden die Ursachen der Piraterie genau so wenig bekämpft, wie mit der stetigen Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen auf Handelsschiffen. Wie so oft gilt es auch bei der Seeräuberei, das Problem an der Wurzel anzugehen. Laut dem Hamburger Seerechtler Marian Paschke sind es insbesondere Armutsstrukturen, die Seeräuberei verursachen. Dementsprechend könne das Problem nur auf politischer Ebene, nicht aber mit Mitteln des Strafrechts gelöst werden. In diese Richtung geht auch der Ansatz der amerikanischen Politologin Brittany Gilmer. Sie betont, dass die Ursachen der Piraterie an Land zu suchen sind, wo die Bevölkerung unter schwachen staatlichen Strukturen und mangelnden Erwerbsmöglichkeiten leidet. Auch die Präsenz illegaler Industriefischerboote sowie die Hungerkrise 2017 in Ostafrika tragen – insbesondere in Somalia – zur Armut und Perspektivlosigkeit der Bevölkerung bei und führen letztendlich zu einem Abdriften in die lukrative Kriminalität auf See.

Die Verfolgung und Ahndung der Kriminalität auf Hoher See muss nicht eingestellt werden: Doch dass die internationalen Bemühungen gegen Seeräuber einen entwicklungspolitischen Ansatz verfolgen sollten, ergab bereits eine Studie des britischen Chatham House im Jahr 2012, welche die Piraterie in Somalia als wichtigen Wirtschaftsfaktor und Wachstumsmotor identifizierte. Es braucht also einen Lösungsansatz, der Piraterie nicht primär als Bedrohung der internationalen Sicherheit, sondern zuerst als entwicklungspolitisches Problem versteht. Durch Infrastruktur- und Ausbildungsprojekte sowie Initiativen zur Stabilisierung staatlicher und wirtschaftlicher Strukturen könnte den Piraten nicht nur der aktuell existierende Rückhalt der profitierenden Landbevölkerung entzogen werden. Sondern auch der Anreiz, sich durch Piraterie den Lebensunterhalt zu verdienen. 

Rebecca Fleming

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