UN-Ermittlungsverfahren gegen syrische Kriegsverbrecher
Marchi-Uhel wird damit beauftragt, gegen Personen, die im Rahmen des Völkerrechts für die schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien verantwortlich gemacht werden können, zu ermitteln. Die französische Völkerrechtlerin war bereits am Ad-hoc Tribunal für das ehemalige Jugoslawien beteiligt.
Eine Verfolgung vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wird es in absehbarer Zeit allerdings nicht geben. Da Syrien nicht Mitglied beim IStGH ist bedarf eine strafrechtliche Verfolgung der Zustimmung des UN-Sicherheitsrats: Dies scheitert bisher am Veto Russlands und Chinas. Dass es zu keiner strafrechtlichen Verfolgung der Hauptverantwortlichen kommen würde, dachte man aber auch im Fall Jugoslawien lange Zeit. So scheint durch das aktuelle UN-Ermittlungsverfahren zumindest die Möglichkeit zu bestehen, bereits jetzt wichtige Beweise zu sammeln, falls es doch zu einer Verurteilung syrischer Regierungsbeamter vor dem IStGH kommen sollte.
Unabhängig vom UN-Prozess wurde bereits vor mehreren nationalen Gerichten Klage gegen hochrangige syrische Beamte erhoben. Zu Beginn dieses Jahres hat ein Team von deutschen und syrischen Anwälten bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe eine Strafanzeige wegen schweren Folterungen in syrischen Gefängnissen eingereicht. Konkret handelt es sich um sechs Überlebende, die nun in Deutschland leben und im Gerichtsverfahren als Zeugen auftreten.
Solange keine internationale Verfolgung der Straftaten möglich ist, bleibt lediglich die Verfolgung in Drittstaaten. Eine Verurteilung erfolgt in diesem Fall nach dem Völkerstrafgesetzbuch, das in Deutschland seit 2002 in Kraft ist. Dies wurde an das Römische Statut des IStGHs angepasst und enthält unter anderem die Strafbestände Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Der Bundesgerichtshof ist demnach für Straftaten, die im Ausland begangen wurden, zuständig, wenn die Strafverfolgung durch die vorrangig zuständigen Staaten oder einem internationalen Gerichtshof nicht gewährleistet ist. Vor diesem Hintergrund wurden auch in anderen europäischen Staaten Anzeigen gegen Mitglieder des syrischen Regimes und hochrangige Militärs erstattet und werden von den dortigen nationalen Gerichten ebenfalls behandelt.
Auch wenn die Wirksamkeit und Umsetzung dieser Gerichtsurteile unsicher ist, tragen nationale Gerichtsverfahren zur wichtigen Aufarbeitung schwerer Menschenrechtsverletzungen, die im syrischen Bürgerkrieg verübt wurden, bei. Ein Verfolgung syrischer Kriegsverbrecher*innen vor dem Internationalen Strafgerichtshof bleibt dennoch im Interesse der Opfer und könnte durch die Ernennung von Catherine Marchi-Uhel erneut in den Fokus der Diskussionen geraten.
Christian Buschmann