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UN-Politik unter Trump – zieht sich die „unverzichtbare Nation“ aus der Weltpolitik zurück?

Die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika im November hat viele Beobachter bestürzt und verunsichert. Die Außenpolitik galt aufgrund der vagen und widersprüchlichen Äußerungen des Republikaners bisher als große Unbekannte. Nach einer Woche im Amt zeichnen sich jedoch erste Konturen ab, die in den Vereinten Nationen große Besorgnis auslösen. Zieht die neue US-Regierung ihre Planungen konsequent durch, droht ein Rückzug der Vereinigten Staaten aus den Vereinten Nationen.

Die US-amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley spricht in ein Mikrofon. Im Hintergrund steht eine Gruppe aus Pressevertretern.
Wie glaubwürdig kann die neue US-amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley das globale Engagement ihres Landes unter Präsident Trump vor der internationalen Gemeinschaft vertreten? (UN Photo/Mark Garten)

Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Das Verhältnis zwischen den USA und den Vereinten Nationen war niemals einfach. Die UN wurden 1945 zwar auf Initiative der USA gegründet und ihr Hauptsitz befindet sich in New York. Eine höhere Instanz der internationalen Beziehungen sind sie in der Sichtweise vieler Amerikaner deshalb jedoch nicht, eher ein außenpolitisches Instrument unter vielen. Präsident George W. Bush tat die Weltorganisation einst als „irrelevant“ ab, nachdem der UN-Sicherheitsrat seiner Regierung 2003 die Legitimation einer Invasion des Irak verweigert hatte. Mit John R. Bolton besetzte der damalige US-Präsident das Amt des amerikanischen UN-Botschafters zudem mit einem scharfen Kritiker der Vereinten Nationen.

Mit dem Amtsantritt von Donald Trump erreicht die schwierige Beziehung zwischen den USA und den Vereinten Nationen eine neue Dimension. Auch die Weltorganisation mit ihrem Hauptsitz am East River in New York blieb nicht von abschätzigen Tweets des neuen US-Präsidenten verschont. So bezeichnete Trump die UN Ende Dezember 2016 als einen „Club für Leute, um zusammenzukommen, zu reden und sich eine schöne Zeit zu machen“.

In dieser Woche wurde die neue UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, vereidigt. Die Besetzung des wichtigen Diplomatenpostens mit einer Frau, die zudem noch indische Wurzeln hat, sticht aus den überwiegend weißen Männern heraus, die Trump für sein Kabinett ausgewählt hat.

Während des Wahlkampfes hatte die neue UN-Botschafterin zunächst Trumps innerparteiliche Gegner Marco Rubio und Ted Cruz unterstützt und Trumps Kampagne kritisiert. Haley wird in außenpolitischen Fragen dem republikanischen Mainstream zugeordnet, gilt aber als der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung nahestehend. Sie hat sich gegen Abtreibung und Obamas Gesundheitsreform ausgesprochen und befürwortet den Besitz von Waffen.

Nationale Bekanntheit erlangte die 44-jährige bisherige Gouverneurin von South Carolina im Sommer 2015 als sie forderte, die Konföderiertenflagge nicht mehr auf offiziellen Gebäuden des Bundestaates zu hissen. Ein Attentäter hatte in einer afroamerikanischen Kirche neun Menschen erschossen und zuvor auf Fotos mit der Flagge der Südstaaten posiert. Abgesehen davon dass Haley als Gouverneurin mehrere Handelsdelegationen mit Unternehmen in Indien, Japan oder Deutschland angeführt hat, verfügt die künftige UN-Botschafterin über keine außenpolitische Erfahrung.

Bilaterale Deals statt Multilateralismus

Noch bevor Nikki Haley ihr neues Amt antreten kann, legt die US-Administration unter Trump ihr Steine in den Weg. Derzeit lässt Präsident Trump zwei „Executive Orders“ vorbereiten, die den Weg frei machen würden, die Rolle der Vereinigten Staaten in den UN und anderen internationalen Organisationen drastisch zu reduzieren sowie bestimmte internationale Abkommen aufzukündigen.

Die erste Exekutivanordnung mit dem Titel „Auditing and Reducing U.S. Funding of International Organizations“, deren Entwurf der „New York Times“ vorliegt, zielt auf den Stopp der Finanzierung von UN-Organisationen oder anderen internationalen Institutionen, die unter bestimmte Kriterien fallen.

Gemessen an den Pflichtbeiträgen zum ordentlichen Haushalt der Vereinten Nationen sind die USA der größte Beitragszahler. Zu dem Budget, mit dem die zentralen Organe der UN finanziert werden, tragen die Vereinigten Staaten 22 Prozent bei. Weitere Pflichtbeiträge finanzieren Friedensoperationen und Straftribunale; freiwillige Beiträge der Mitgliedsstaaten ermöglichen den Betrieb von Spezial- und Nebenorganen sowie von Fonds und weiteren Programmen der Vereinten Nationen wie dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF oder der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Von der ersten Exekutivanordnung Trumps sind Organisationen betroffen, die den Palästinensischen Gebieten bzw. der PLO eine Mitgliedschaft ermöglichen oder Programme unterstützt, die die Aufhebung von Sanktionen gegen Iran oder Nordkorea aufheben oder umgehen könnten. Weiterhin ruft die präsidiale Anordnung dazu auf, Organisationen nicht weiter durch US-Mittel zu finanzieren, die „von irgendeinem Staat kontrolliert oder substanziell unterstützt werden, der Terrorismus finanziert“.

Darüber hinaus soll durch die Exekutivanordnung ein Komitee eingerichtet werden, das Empfehlungen ausspricht, wo genau Budgetkürzungen erfolgen sollen. Auch soll das Komitee ein besonderes Augenmerk auf Peacekeeping-Operationen haben, die von den USA mitfinanziert werden. Im Fokus stehen daneben der Internationale Strafgerichtshof sowie Entwicklungshilfe für Länder, die „wichtigen politischen Interessen der USA entgegenstehen“, sowie der Welternährungsfonds der Vereinten Nationen.

Vor der Glasfassade des UN-Hauptqaurtiers wehen mehrere Länderflaggen. Im Zentrum steht die Flagge der USA.
Die USA sind bisher der größte Beitragszahler der Vereinten Nationen. Ein Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Zentrum der Weltpolitik am East River hätte schwerwiegende Konsequenzen. (UN Photo/Milton Grant)

Sollte Präsident Trump die Exekutivanordnung unterzeichnen, könnte die Arbeit von UN-Einrichtungen, die in hohem Maße von den Beiträgen der USA abhängen, erheblich eingeschränkt werden müssen, so zum Beispiel UN-Missionen, die sich um Flüchtlinge kümmern und mit Nahrung und Impfungen versorgen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) drückte in einer gemeinsamen Stellungnahme mit der Internationalen Organisation für Migration ihre Hoffnung aus, dass die USA ihre führende Rolle beim Schutz von Flüchtlingen fortsetzen. 

Die zweite Exekutivanordnung („Moratorium on New Multilateral Treaties“) soll alle aktiven und auszuhandelnden internationalen Verträge der USA mit mehr als einem anderen Staat überprüfen. Damit sollen Empfehlungen ausgesprochen werden, welche Verträge bzw. Verhandlungen die Vereinigten Staaten aufkündigen sollten. Betroffen wären unter anderem die Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und das Pariser Klimaabkommen. In der Vergangenheit hatte sich Trump bereits kritisch zu multilateralen Verträgen wie dem Klimaabkommen geäußert.

Beide Exekutivanordnungen werfen einige Fragen und Widersprüche auf. So wird in der ersten Anordnung von einer Kürzung des US-Budgets um 40 Prozent gesprochen. Unklar ist, ob eine Mittelkürzung jeder einzelnen von den USA unterstützten UN-Organisation gemeint ist, oder eine Kürzung des gesamten UN-Budgets der Vereinigten Staaten. In die Budgetüberprüfung einbezogen wird in dem Entwurf auch der Internationale Strafgerichtshof, obwohl die USA diesen gar nicht finanzieren. Ähnliches gilt für die UNESCO – bereits unter Präsident Obama kürzten die USA der UN-Kulturorganisation, die 2011 die Palästinensischen Gebiete aufnahm, die Mittel. Zumindest die UN-Peacekeeping-Operation im Libanon (UNIFIL) dient mit der Sicherung der nördlichen Grenze Israels zudem direkt israelischen Sicherheitsinteressen – obgleich der Entwurf von Trumps Präsidialanordnung die vorgeschlagenen Budgetkürzungen als im Interesse Israels bezeichnet.

Wenngleich die Pläne von US-Präsident Trump seinem Motto „America First“ zu entsprechen scheinen, muss die Effizienz eines solchen Ansatzes für die Durchsetzung internationaler Interessen bezweifelt werden. So könnte das Aushandeln bilateraler Deals dem amerikanischen Steuerzahler am Ende teurer zu stehen kommen als multilaterale Vereinbarungen, durch die Kräfte gebündelt und Kosten geteilt werden können.

Gefährliches Machtvakuum

Bereits unter US-Präsident Obama wurde eine zunehmende außenpolitische Zurückhaltung der USA erkennbar. Trumps Vorgänger betonte den Vorrang eines „nation building at home“ anstatt riskanter und teurer militärischer Einsätze, bei denen Interessen der USA nicht unmittelbar betroffen sind. Mit dem „Pivot to Asia“, der Hinwendung der Vereinigten Staaten zum asiatisch-pazifischen Raum, verlagerte sich der Fokus der US-Außenpolitik weg von den Krisenherden im Nahen und Mittleren Osten. Zugleich wurden die europäischen Partner aufgefordert, mehr Verantwortung in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu übernehmen.

Die nach wie vor schwelenden Brennpunkte und Konflikte in Syrien, im Nahen Osten und in der Ukraine sowie zerfallende Staaten wie Libyen oder der Kampf gegen die Terrororganisation IS zeigen, dass die USA trotz einer zunehmend multipolarer werdenden Welt als Ordnungsmacht gefordert sind.    

Donald Trump stellt den Multilateralismus im Speziellen und das westliche Politik- und Wertemodell insgesamt vor gewaltige Herausforderungen. Ein unberechenbarer US-Präsident, der sein Land nicht mehr als globale Ordnungsmacht sieht, öffnet auf der Weltbühne ein gefährliches Machtvakuum.

Dass dieses Machtvakuum künftig von Staaten wie China oder Russland gefüllt wird, die die Vereinten Nationen nach nüchternem außenpolitischem Kalkül als ein Instrument nutzen können, um ihre Ziele, im Zweifel auch gegen fundamentale Interessen der USA, durchzusetzen, kann nicht im Sinne eines US-Präsidenten sein, der nach dem Prinzip „America First“ die besten Deals für sein eigenes Land heraushandeln will. Nur wenn die Vereinigten Staaten ihr Gewicht gemeinsam mit ihren Wertepartnern bei den Vereinten Nationen einbringen, verhindern sie, dass andere Akteure die Verhandlungsmacht ihres Landes aushebeln und über ihre Köpfe hinweg entscheiden können.

Die Bewältigung der komplexen globalen Krisen und Konflikte braucht keine Vereinigten Staaten, die sich von der Weltbühne zurückziehen, sondern eine tragende Hauptrolle spielen.

Text von Patrick Moss
Der Artikel spiegelt die persönliche Sicht des Autors wieder.

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