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Eskalierende Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo

Die jüngsten Ereignisse in der DRK rücken auch in deutschen Medien in den Fokus. Nach der Einnahme Gomas durch M23 am 28. Januar 2025 fiel am 17. Februar auch Bukavu. Das nächste erklärte Ziel: die tausende Kilometer entfernte Hauptstadt Kinshasa.

Voll besetzter Saal im Sicherheitsrat, mehrere Personen heben die Hand für die Abstimmung.
Mit der im Februar 2025 verabschiedeten Resolution 2733 verurteilte der UN-Sicherheitsrat entschieden die Offensive der M23 (UN Photo/Evan Schneider)

Bereits zu beschreiben, wer ‚Mouvement du 23 Mars‘ (M23) ist, ist hochpolitisch. Der Krieg – oder eher die Kriege – in der Demo­kratischen Republik Kongo (DRK) sind immer auch Kriege um die Wahrheit beziehungsweise die Deutungs­hoheit. Dennoch kann man die aktuelle Situation nicht verstehen, ohne M23 einzuordnen. 

M23 ist eine überwiegend aus kongolesischen Tutsi bestehende Rebellengruppe, die 2012 gegründet wurde, und von Ruandas sowie im geringeren Maße von Ugandas Regierung unterstützt wird. Beide Länder leugnen bis heute diese Unter­stützung. Unter der aktuellen Führung von Corneille Nangaa erhebt M23 den Anspruch, die Interessen der kongo­lesischen Tutsi und anderer Minderheiten zu verteidigen und sie vor Angriffen durch Hutu-Milizen, deren Kämpfer in Teilen für den Genozid in Ruanda von 1994 verantwortlich sind, zu schützen. Nangaa selbst war Leiter der Wahlko­mmission der umstrittenen Wahl von 2018. Nachdem er 2021 aus seinem Amt entlassen wurde, gründete er 2023 die ‚Alliance Fleuve Congo‘ (AFC). Diese politische und militärische Allianz vereint zahlreiche politische Parteien und bewaffnete Gruppen, darunter die M23, mit dem Ziel, Präsident Félix Tshisekedi zu stürzen.

Unter den Augen der Stabilisierungs­mission der Organisation der Vereinten Nationen in der Demo­kratischen Republik Kongo (Mission de l'Organisation des Nations Unies pour la stabilisation en République démo­cratique du Congo - MONUSCO) gelang es M23 bereits im November 2012 Goma einzunehmen. Damals zogen sie sich jedoch nach Verhandlungen nach zehn Tagen zurück. UN-Berichte belegten Ruandas Unterstützung für M23. Der internationale Druck auf den ruandischen Präsidenten Paul Kagame wuchs und über 200 Millionen US-Dollar an Hilfen wurden gestrichen. Die UN erweiterten MONUSCOs Mandat. Die Mission, und vor allem die integrierte Interventions­brigade (Force Intervention Brigade), wurde mandatiert ‚Peace Enforcement‘ durchzuführen, also offensiv mit Waffen­gewalt gegen bewaffnete Gruppen vorzugehen. 

Es folgte der militärische Sieg der kongo­lesischen Regierung im Oktober 2013, doch militärische Erfolge erweisen sich als wenig nach­haltig, wenn sie nicht in einen politischen Prozess eingebettet sind. Im Osten der DRK blieben viele Ursachen der Konflikte ungelöst. Dazu gehören historisch bedingte Konflikte über Land- und Ressourcen­verteilung sowie die noch immer umstrittene Staats­ange­hörig­keit von kongole­sischen Minderheiten wie den Banya­mulenge, die immer wieder staatlicher Gewalt ausgesetzt sind. 

Die neue Offensive seit 2021

Es ist deshalb auch die Verant­wortung der kongole­sischen Regierung unter Präsident Félix Tshisekedi, dass M23 im November 2021 eine erneute Offensive startete. Als M23 mit Unterstützung der ruandischen Armee nun Frühjahr 2025 Sake, Goma und Bukavu einnahm, ließen sie sich medienwirksam als Befreiungs­armee feiern. Befreiung von einem Regime, dessen Armee für Menschen­rechts­ver­brechen bekannt ist. Befreiung von einem Präsidenten, der sein politisches Überlegen durch eine Ver­fassungs­änderung absichern will, während er häufig gegenüber dem Leid der Menschen im Osten der DRK gleichgültig zu scheint.

Trotz dieser schlechten Regierungsführung ist und bleibt M23 für viele Kongolesinnen und Kongolesen keine Befreiungsarmee, sondern eine militärische Besatzung. Inwiefern Teile der Bevölkerung in Goma und Bukavu freiwillig ihren „Befreiern“ zujubelten, ist höchst fragwürdig. Während der jüngsten Kämpfe in und um Goma starben mindestens 3000 Menschen. Die Aktivisten und Aktivistinnen der Jugendbewegung LUCHA kritisieren, dass M23 besonders die kongolesischen Zivilgesellschaft attackiert. Tausende gingen in Kisangani und Kinshasa gegen M23 auf die Straße. Auch die Diaspora mobilisierte, zum Beispiel in Brüssel.  Die Besetzung Bukavus scheint die größte Sorge vieler Kongolesen und Kongolesinnen zu bestätigen: Sie fürchten, dass sich der Zweite Kongokrieg (1998–2003), der aufgrund seiner regionalen Dimension und hohen Opferzahlen auch als Afrikanischer Weltkrieg bekannt ist, nun wiederholt. 

Regio­nale Span­nungen und in­ter­nationale Impli­kationen 

Auch dieses Mal verschärfen sich die regionalen Spannungen. Neben MONUSCO ist seit Dezember 2023 eine Mission der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (Southern African Development Community - SADC) unter südafrikanischer Führung eingesetzt. SAMIDRC soll mit der kongolesischen Armee und mit MONUSCOs Unterstützen gegen bewaffnete Gruppen kämpfen. Mindestens 13 südafrikanische und zwei tansanische Soldaten wurden in den letzten Wochen getötet. Während Ruandas Präsident Kagame Südafrika vorwirft, die kongolesische Regierung „im Kampf gegen ihre eigene Bevölkerung“ zu unter­stützen, warnte die südafrikanische Verteidigungs­ministerin Angie Motshekga, dass Angriffe auf süd­afrikanische Soldatinnen und Soldaten als Kriegs­erklärung betrachtet würden.

Der Krieg wird sich in den kommenden Wochen territorial ausweiten, denn das erklärte Ziel der M23 ist der Sturz der kongo­lesischen Regierung in Kinshasa. Laut Jason Stearns, einem der Gründungsmitglieder der Congo Research Group, wird die Kriegsent­wicklung maßgeblich von der internationalen Gemein­schaft abhängen. Die deutsche Regierung sagte geplante Regierungskonsultationen mit Ruanda ab. Es könne unter den gegebenen Umständen kein „business as usual“ geben. Wenige Tage später bestellte das Auswärtige Amt den Botschafter Ruandas in Berlin ein. Das Europäische Parlament sprach sich für die unverzügliche Aussetzung des EU-Ruanda-Abkommens über kritische Rohstoffe aus und fordert die EU-Kommission auf, ergänzende wirtschaftliche sowie diplomatische Schritte zu erwägen. Ruanda selbst setzt nun die Entwicklungs­zusam­men­arbeit mit Belgien aus. Belgiens Außenminister Bernard Quintin hatte wiederholt Maßnahmen gegen Ruanda gefordert. Kagame reagierte auf das mögliche Wegfallen internationaler Gelder mit drastischen Steuerer­höhungen. Die finanzielle Last trifft hierbei vor allem die Bevölkerung – nicht die politischen Ent­scheidungs­träger. 

Dennoch sind diese Schritte wichtig und notwendig, besonders da sich viele in der kongo­lesischen Bevölkerung durch die fortlaufende militärische Unterstützung der Streitkräfte Ruandas durch die EU ohne Berück­sichtigung der Situation im Osten der DRK verraten fühlen. Spricht man mit Kongolesinnen und Kongolesen, dann hört man immer wieder, dass die DRK international wenige Freunde und Verbündete habe. Wie in den meisten Gewaltkonflikten, trägt auch in diesem Krieg die Zivilbevölkerung die höchste Last. Umso wichtiger ist es, durch konkrete und koordinierte Maßnahmen klarzumachen, dass grundlegende Prinzipien wie Souveränität und territoriale Integrität überall gelten – und dass jedes Menschenleben gleich zählt. 

Stephanie Jänsch

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