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Kontinuität und Wandel in der Leitung von UN-Friedensmissionen

Die Sondergesandten des UN-Generalsekretärs (SRSGs) spielen eine entscheidende Rolle in UN-Friedensmissionen. Ein Blick auf Alan C. Doss und Ellen M. Løj zeigt, wie ihre beruflichen Erfahrungen die Missionen, in denen sie tätig waren, maßgeblich prägten.

Ellen Margrethe Løj als damals dänische Ständige Vertreterin bei den UN im UN-Sicherheitsrat spricht in ein Mikrofon mit ernstem Gesichtsausdruck.
Ellen Margrethe Løj als damals dänische Ständige Vertreterin bei den UN im UN-Sicherheitsrat (UN Photo/Devra Berkowitz)

Die Sonder­gesandten des UN-General­sekretärs (Special Re­presen­tatives of the Secre­tary-Gen­eral - SRSGs) sind als Leiterinnen und Leiter der Missionen für die politische Vermittlung, die Missions­verwaltung, die Zu­sam­men­arbeit mit Regierungen und die Koordination mit dem UN-Haupt­quartier in New York verantwortlich. Sie nehmen damit eine Schlüssel­rolle bei der Friedens­sicherung ein. In diesem Rahmen müssen die SRSGs auf sich schnell verändernde politische Situationen reagieren, zwischen Konflikt­par­teien vermitteln und sicher­stellen, dass das UN-Personal effektiv arbeitet. Zeitgleich vertreten sie als höchste Re­prä­sen­tantinnen und Repräsentanten die Prinzipien der UN im Einsatz­land. 

Doch in­wie­weit haben frühere be­ruf­li­che Er­fah­run­gen Einfluss auf ihr Handeln in der Mission?

Der Brite Alan C. Doss und die Dänin Ellen M. Løj sind zwei Beispiele für erfahrene SRSGs, die im Laufe ihrer Karriere verschiedene Friedens­missionen geleitet und unterschiedliche Erfahrungen mit eingebracht haben. 

Doss begann seine Karriere im UN-Ent­wick­lungs­pro­gramm (United Nations Develop­ment Programme - UNDP) und übernahm später führende Positionen, zunächst als stellvertretender SRSG (Deputy SRSG) in Sierra Leone und Côte d’Ivoire und anschließend als SRSG in UNMIL (United Nations Mission in Liberia, 2005-2007) und MONUC (United Nations Mission in the Democratic Republic of Congo, 2008-2010). Im Gegensatz dazu begann Løj ihre Karriere im diplomatischen Dienst, als Leiterin der dänischen Botschaft, unter anderem als diese die nicht-ständige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat innehatte. So wurde sie bereits mit den Ent­schei­dungs­prozessen im Sicherheitsrat vertraut, bevor sie die Leitung von UNMIL (United Nations Mission in Liberia, 2007-2012) und UNMISS (United Nations Mission in the Republic of South Sudan, 2014-2016) übernahm. Die unterschiedlichen Erkenntnisse prägten die zentralen Arbeits­bereiche der jeweiligen Mission, die sie leiteten.

Verwaltung der Frie­dens­mis­sio­nen

In der Verwaltung von Friedens­missionen konnte Doss seine Erfahrungen in der Ent­wick­lungs­zusam­men­arbeit nutzen, indem er MONUC auf Natur­katastrophen besser vorbereitete. So gelang es ihm, Maßnahmen für den drohenden Vulkan­ausbruch in der Region Nord-Kivu einzuleiten. Gleichzeitig musste er feststellen, dass sich seine Arbeitsmethoden aus dem humanitären Sektor nicht direkt auf die langwierigen Entscheidungsprozesse in Friedens­missionen übertragen ließen. Dabei etablierte er das Konzept der „strategischen Geduld“.

Løj hingegen setzte während ihrer Zeit als Leiterin der Mission UNMIL einen anderen Schwerpunkt. Ihr Fokus lag auf der Verbesserung der Lebens- und Arbeits­bedingungen des UN-Personals, insbesondere für Frauen, die in den Friedensmissionen eingesetzt waren. So trat sie unter anderem für separate sanitäre Einrichtungen ein und versuchte zudem, mehr Frauen für Truppenkontingente zu gewinnen. 

Zu­sam­men­ar­beit mit dem Mis­sions­lei­tungs­team und Ins­titu­tionen im Ein­satz­land

Sowohl Løj als auch Doss versuchten, eine offene Teamkultur zu fördern. Løj bemühte sich beispielsweise, dass diplomatische Termine je nach Kontext strategisch zwischen ihr und ihren Stellvertretungen aufgeteilt wurden. Ziel war es, je nach Persönlichkeit das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Doss wiederum erkannte, dass Veränderungen innerhalb der Mission behutsam eingeführt werden mussten. Dabei galt es interne Widerstände zu vermeiden und so die Balance zwischen innovativen Ansätzen und Akzeptanz innerhalb der Mission zu wahren.

Was beide SRSGs gemeinsam hatten, war das zentrale Ziel, nachhaltige (Ver­waltungs-)Strukturen aufzubauen, damit lokale Regierungen nach dem Abzug der UN eigenständig arbeiten konnten. Friedens­prozesse dauern oft Jahrzehnte und UN-Missionen können diese Entwicklungen nicht vollständig begleiten, stellte Løj in diesem Zusammenhang fest. Doss musste zu seiner Zeit in UNMIL unter anderem darauf achten, aufgrund seiner früheren beruflichen Kontakte zur damaligen Prä­sident­schafts­kandidatin und späteren liberianischen Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, nicht als parteiisch wahrgenommen zu werden.

Alan Doss, ein mittelalter Herr mit Brille, lächelt zur Seite, vor ihm ist ein Pult mit UN-Logo.
Alan Doss bei einer Pressekonferenz zur UN-Friedensmission in Kongo (UN Photo/Eskinder Debebe)

Zu­sam­men­ar­beit mit der UN-Zen­tra­le und Mit­glieds­staa­ten

Die Zusammen­arbeit der SRSGs mit der UN-Zentrale und den Mitgliedsstaaten trägt maßgeblich zum Erfolg einer Mission bei. Løj konnte hierbei auf ihre Erfahrung als dänische UN-Botschafterin zurückgreifen, was ihr den Umgang mit dem Sicherheitsrat und anderen UN-Institutionen deutlich erleichterte. Doss wiederum lernte, als stellvertretender SRSG in Sierra Leone, dass schnelle Kommunikation mit der UN-Zentrale entscheidend ist. Be­richter­stat­tungen über politische Entwicklungen können nicht bis zum nächsten Tag warten, sondern erfordern schnelles Handeln, welches auch zu seiner Zeit als SRSG in UNMIL und MONUC gefordert war. 

Ein besonders heikles Thema in der Zusammen­arbeit zwischen den Sonder­gesandten, der UN-Zentrale und den Mitglieds­staaten war der Umgang mit Fällen sexueller Gewalt durch Peacekeeper, unter anderem in den Missionen UNMIL und MONUC. Da die Truppen­steller die juristische Gewalt über ihre Truppen haben und nicht die UN, setzte sich Doss in vielen Fällen mit den Staaten in Verbindung, um das Vor­gehen mit ihnen zu planen. Dieser Prozess gestaltete sich als sehr kompliziert, da die Ermittlungen vor Ort für den truppen­stellenden Staat schwierig und Rechtsprechung über die Truppen für die Mission nicht möglich sind. Doss konnte allerdings in einem Fall erreichen, dass ein Truppen­steller einem Kon­tingents­kom­mandeur die Befugnis erteilte, in Liberia ein Militär­gerichts­verfahren einzuleiten. Das führte dazu, dass die Soldaten für schuldig befunden und aus dem Militär entlassen wurden. Das Ergebnis war letztendlich der intensiven Zusammen­arbeit zwischen Doss als SRSG und den truppen­stellenden Staaten zu verdanken. 

Erfolge und Grenzen der in­divi­duellen Führung

Die Fälle von Alan Doss und Ellen Løj zeigen, dass die Sonder­gesandten durch ihre persön­lichen Erfahrungen wesentliche Verän­derungen in UN-Missionen bewirken können, allerdings nicht alle Praktiken universell übertragbar sind. Während ihrer Zeit in UNMISS stieß Løj an Grenzen, als sie ihre erfolgreichen Maß­nahmen zur Gleich­stel­lung von Frauen einführen wollte – was jedoch an begrenzten Ressourcen scheiterte. Doss‘ Ansatz zur Bekämpfung sexueller Ausbeutung durch UN-Personal funktio­nierte in UNMIL vor allem durch eine günstige Konstel­lation mit unter­stützenden truppen­stel­lenden Staaten, ließ sich in der DR Kongo aber nicht gleichermaßen durch­setzen.

Die beiden Beispiele ver­an­schau­lichen, dass der Erfolg eines Füh­rungs­stils stark von den politischen und institutionellen Rahmen­bedin­gungen abhängt. Die beruflichen Hinter­gründe von SRSGs können eine zentrale Rolle dabei spielen, wie sie ihre jeweiligen Missionen leiten, indem die Erlebnisse aus vorherigen Positionen ihr Handeln beeinflussen. Jedoch lassen sich nicht alle Erkennt­nisse gleicher­maßen auf neue Kontexte übertragen, wodurch ein stetiger Wechsel zwischen Kontinuität und Wandel in der Leitung von UN-Frie­dens­mis­sionen entsteht.

David Teiner und Maike Schimmel

Dieser Beitrag basiert auf dem Forschungsartikel „Persistent Practices? Understanding Continuity and Change in SRSGs’ Leadership of UN Peace Operations”, der in der Fachzeitschrift “International Peacekeeping” erschienen und hier abrufbar ist.

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