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Rück­gang von UN-Frie­dens­mis­sio­nen: Aus­wir­kungen auf die Agen­da 'Frauen, Frieden und Sicher­heit'

Vor 24 Jahren markierte Resolution 1325 einen Meilenstein für femi­nistische Friedens­politik. Doch der Rückgang von UN-Missionen gefährdet den Schutz von Frauen und ihre Beteiligung an Friedens­prozessen. Militarisierung und ge­schlechts­spezi­fische Gewalt nehmen zu. Wo steht die WPS-Agenda heute?

Eine Frau in militärischer Uniform steht stramm und hält eine blaue UN-Fahen, im Hintergrund sind noch mehr Soldatinnen zu sehen.
Parade zum Internationalen Tag der Peacekeeperinnen und Peacekeeper. (UN Photo/JC McIlwaine)

Der globale Rückgang von UN-Friedens­missionen stellt die Um­setzung der Agenda ‘Frauen, Frieden und Sicherheit’ (Women, Peace and Security - WPS) vor große Heraus­for­derungen. Im Juni 2023 beschloss der UN-Sicherheitsrat das Ende der UN-Friedens­mis­sion MINUSMA in Mali bis Ende 2023, im Dezember 2023 verlängerte er das Mandat der UN-Friedens­mission MONUSCO in der De­mokra­tischen Republik Kongo (DRC) letzt­malig bis Ende 2024, auch wenn die kongo­lesische Regierung mittlerweile zurück­gerudert ist. Gleichzeitig wurden seit 2014 keine neuen UN-Friedens­missionen mehr eingesetzt. Die Zahl der UN- Friedens­kräfte ist seit 2016 von 120.000 auf nur noch 70.000 im Jahr 2024 gesunken. Mit diesem Rückgang schwinden zentrale Schutz­me­chanis­men für Frauen und Mädchen in Konflikt­gebieten ebenso wie die Unterstützung ihrer Beteiligung an Friedens­prozessen.

Die WPS-A­gen­da: Ein glo­baler Meilen­stein

Die Resolution 1325 (2000) des UN-Sicher­heits­rates markierte einen Wende­punkt: Sie erkannte an, dass Frieden und Sicherheit nicht geschlechts­neutral sind. Frauen und Mädchen sind nicht nur über­propor­tional von Konflikten betroffen, ihre Beteiligung ist auch für eine nach­haltige Konflikt­lösung unerlässlich. 

Die WPS-Agenda basiert auf vier Säulen: Beteili­gung, Prävention, Schutz und Wieder­aufbau. Seit der Resolution 1325 hat der Sicher­heits­rat neun weitere Reso­lutionen verabschiedet, die zusammen die WPS-Agenda bilden. Ziel ist ein nach­haltiger Frieden, der Frauen nicht nur schützt, sondern sie als zentrale Akteurinnen in Friedens­prozesse einbezieht. 

Die Umsetzung der WPS-Agenda erfolgt durch Nationale Aktions­pläne (NAPs), die die Ziele in nationale Strategien übersetzen. Bis Mai 2024 hatten 56 Prozent der UN-Mitgliedstaaten mindestens einen NAP verabschiedet, teilweise ergänzt durch regionale Aktions­pläne. Trotz Fortschritten, zum Beispiel dem gestiegenen Anteil uniformierter Frauen in Friedens­einsätzen, gibt es zahlreiche Hindernisse bei der Umsetzung der Agenda, wie patriarchale Normen, fehlende Ressourcen, zunehmende Militari­sierung und der schrumpfende zivile Raum für ge­schlechter­gerechte Friedens­lösungen. 

Fo­kus auf Mali: Der Ab­zug von MI­NUS­MA und seine Folgen

Die 2013 initiierte Multi­dimen­sionale In­te­grierte Sta­bili­sie­rungs­mission der Verein­ten Nationen in Mali (MINUSMA) spielte eine Schlüssel­rolle bei der Umsetzung der WPS-Agenda. Sie förderte unter anderem die Beteiligung von Frauen an politischen Dialogen und an der Umsetzung des 2015 unterzeichneten Friedensabkommens. 

Mali verabschiedete 2019 seinen dritten NAP für den Zeitraum 2019-2023, der sich nicht nur auf die Beteiligung von Frauen an Friedens­prozessen konzentriert, sondern auch Radika­lisierung, gewalt­tätigen Extremismus, Klima­wandel und die Rolle von Männern bei der Förderung der Geschlechter­gleichheit thematisiert. Die WPS-Agenda ist allerdings weder ein Kern­interesse der malischen Regierung (zivil oder militärisch) noch des Parlaments. 

Nachdem sich die malische Regierung 2017 an die russische para­militä­rische Wagner-Gruppe wandte, forderte sie 2023 den vollständigen Abzug der MINUSMA. Dies führte nicht nur zum Ende zahlreicher Friedens­initiativen, sondern auch zum Wegfall wichtiger Schutz­maß­nahmen für Frauen. Im Januar 2024 verkündete die Übergangs­regierung zudem das Ende des Friedens­abkommens von 2015 an. 

Der abrupte Abzug der MINUSMA hinterließ ein Sicherheits­vakuum, das die Fortschritte der WPS-Agenda gefährden und Frauen ohne ausreichenden Schutz zurück­lassen könnte. Zudem wurde versäumt, WPS-Initiativen an staatliche Behörden oder lokale UN-Büros zu übergeben, und der UN-Sicher­heitsrat hat in seinen Beschlüssen zur Beendigung des Mandats keine Gender-As­pekte berücksichtigt. Patriarchale Strukturen, Militari­sierung und mangelnde Finan­zierung erschweren die Umsetzung der WPS-Agenda im Land zusätzlich. 

Der Rück­gang von UN-Mis­sio­nen und die WPS-A­gen­da

Der Rückgang der UN-Friedens­missionen verschärft diese Probleme erheblich. Ein weiteres Beispiel: In Haiti kam es nach dem Abzug der UN- Mission der Vereinten Nationen zur Unter­stützung der Justiz in Haiti (Mission des Nations Unies pour l'appui à la justice en Haïti - MINUJUSTH) 2019 zu einer Zunahme der syste­matischen sexuellen Gewalt gegen Frauen durch bewaffnete Gruppen. Die haitianische Regierung beantragte im Oktober 2024 die Umwand­lung der derzeitigen international geführten Sicherheits­mission in eine neue UN-Friedens­mission, die bessere Kapazitäten hinsichtlich Finanzierung und Truppen­stärke hätte. Auch in Ländern wie Sudan, Mali und der DRC, in denen Gewalt weiter eskaliert, fehlen oft die Mittel und der politische Wille, Frauen­rechte zu schützen und ihre Teilhabe an Friedens­prozessen zu sichern. 

Besonders besorgnis­erregend: Laut WPS-Bericht des UN-General­sekretärs sank der Anteil von Frauen in Friedens­prozessen zwischen 2020 und 2022 von 23 auf 16 Prozent. Gleichzeitig stieg die sexuelle Gewalt in Konflikt­gebieten im Jahr 2023 um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch der Bericht zeigt auch: Regio­nale Organi­sationen übernehmen eine tragende Rolle in Konflikt­mediation. 

Regio­nale Per­spek­ti­ven: die Rol­le der Afrika­ni­schen Union 

Mit dem Rückzug der UN-Frie­dens­missionen rücken regionale Akteure wie die Afrika­nische Union (AU) stärker in den Fokus. Der Friedens- und Sicher­heits­rat der AU hat mit der Einführung des Conti­nental Results Framework die WPS-Agenda um eine fünfte Säule erweitert: Prävention und Reaktion auf neue Sicher­heits­bedrohungen. Dieser Rahmen misst den Fortschritt der WPS-Agenda auf dem afrikanischen Kontinent, identifiziert Lücken in der Umsetzung und stärkt die Rechen­schafts­pflicht der Mitglied­staaten. Ähnlich wie der UN-General­sekretär veröffentlicht die AU jährliche Berichte über die Umsetzung der WPS-Agenda. 

Trotz Fort­schritten wie der Ernennung von Bineta Diop zur WPS-Sonder­beauf­trag­ten der AU-Kom­mission im Jahr 2014 und der Schaffung institutioneller Strukturen sind Frauen auf lokaler Ebene weiterhin stark unterr­epräsentiert. Die AU arbeitet jedoch eng mit der UN zusammen, um die Teilhabe von Frauen zu fördern. Eine weg­weisende Ent­wicklung ist die UN-Resolution 2719 (2023), die der AU erstmals Zugang zu UN-Finanz­mittel für Friedens­operationen ermöglicht, sofern sie men­schen­recht­liche und ge­schlechter­sensible Standards einhalten. 

Die Zu­kunft der WPS-Agen­da 

Die WPS-Agenda ist dynamisch und entwickelt sich ständig weiter. Für ihre erfolgreiche Um­setzung bedarf es einer nach­haltigen, vorhersehbaren und flexiblen Finanzierung. Ge­schlechter­gerechte Standards in der UN-Finan­zierung könnten die Ziele der WPS-Agenda in Friedens­missionen maßgeblich voran­bringen. Dabei ist jedoch nicht nur die bloße Präsenz von Frauen entscheidend, sondern vor allem ihre Positionen und aktive Mitwirkung in Entscheidungs­prozessen. 

Der UN-Sicherheits­rat muss gewährleisten, dass der Rückzug von Friedens­missionen geordnet erfolgt und Schutz­lücken vermieden werden. Vor dem Ende von Missionen sollten geschlechter­gerechte Normen fest in internationale Rechtsrahmen verankert werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Gastregierungen, lokalen Akteuren und der UN ist unerlässlich, um die erzielten Fortschritte zu sichern. Nur so kann die WPS-Agenda auch angesichts des Rückgangs von UN-Friedens­missionen weiterhin eine zentrale Rolle in Friedens­prozessen spielen. 

Ines Meyer

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