Uganda: vom Konfliktnarrativ zur Friedensperspektive
Uganda liegt geografisch in einer Region, die von Nachbarstaaten wie der Demokratischen Republik Kongo, Sudan und Somalia umgeben ist – Länder, die seit Jahrzehnten von Konflikten und Bürgerkriegen erschüttert werden. Auch Ugandas eigene Geschichte ist von Konflikten geprägt: von der kolonialen Unterdrückung über den Widerstand bis hin zur Unabhängigkeit 1962. Der Militärputsch von Idi Amin führte 1971 zu einer brutalen Diktatur und systematischem Terror. Ein knapp zwanzig Jahre währender Bürgerkrieg folgte, 1986 wurde Yoweri Museveni der bis heute amtierende Präsident von Uganda. Von 1988 bis 2006 führte die Rebellenarmee ‚Lord’s Resistance Army‘ – kurz LRA - unter Joseph Kony einen letztlich erfolglosen Kampf gegen Musevenis Streitkräfte, der jedoch unzählige Opfer forderte.
Episoden, die hunderttausende Todesopfer forderten und zur Zerrüttung der politischen, ökonomischen und sozialen Infrastruktur führten. Friedensgespräche im Jahr 2006 zwischen der Rebellenbewegung LRA unter Kony und der Regierung Museveni brachten zwar eine gewisse Beruhigung, aber ein endgültiges Friedensabkommen blieb dennoch aus. Heute gilt Uganda als Postkonfliktland, doch das Risiko erneuter Auseinandersetzungen bleibt bestehen.
Frauen im Krieg: zwischen Gewalt und Widerstand
In vielen Ländern der Welt ist sexualisierte Gewalt gegen Frauen im Zusammenhang mit Kriegen und Konflikten ein schwerwiegendes Problem. Auch zehntausende Frauen in Uganda waren oder sind betroffen von Vergewaltigung, Zwangssterilisation, Menschenhandel und sogar Mord. Im Norden Ugandas, wo der Bürgerkrieg zwischen der LRA und der ugandischen Armee besonders stark wütete, berichtet jede dritte Frau von Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt.
Seit den späten 1990er-Jahren ist sexualisierte Gewalt in Konflikten in den Blick der Weltöffentlichkeit gerückt und bei den Vereinten Nationen auf der Agenda. Der UN-Sicherheitsrat klassifizierte in seiner Resolution 1820 (2008) sexualisierte Gewalt in Konflikten klar als 'Kriegstaktik'. Sie ist Teil der Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit (Women, Peace and Security - WPS), die durch die UN-Resolution 1325 im Jahr 2000 ins Leben gerufen wurde. Die WPS-Agenda ist ein wesentlicher Bestandteil der internationalen Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit in Konflikten und deren Nachwirkungen. Die vier zentralen Säulen der WPS-Agenda – Beteiligung, Schutz, Prävention und Wiedergutmachung – zielen darauf ab, die Rechte von Frauen zu fördern und ihre aktive Mitwirkung in Friedensprozessen sicherzustellen. Die Agenda wurde durch neun weitere Resolutionen ergänzt, die spezifische Themen behandeln, wie sexuelle Gewalt in Konflikten, die Rolle von Frauen in der Friedenssicherung und die Notwendigkeit, gendergerechte Ansätze in den humanitären Hilfeprozess zu integrieren.
Anerkennung und Schutz für Frauen
Wie Uganda als Beispiel zeigt, sind Frauen in Konflikten besonders vulnerabel, doch genauso sind sie auch zentrale Akteurinnen im Friedensprozess. Diese Doppelrolle von Frauen wurde erstmals in der Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats im Jahr 2000 offiziell anerkannt. Das Engagement von Frauen für den Frieden blieb in offiziellen Friedensverhandlungen häufig unberücksichtigt. Die WPS-Agenda fordert nicht nur einen stärkeren Schutz von Frauen in Konflikten, sondern unterstreicht auch ihre einzigartige Rolle in der Friedenssicherung und -bildung.
Während die Männer in Uganda in den Krieg zogen, übernahmen die Frauen die Verantwortung für die Familie, sorgten für den Zusammenhalt in ihren Gemeinden und engagierten sich aktiv für den Frieden im Land. So spielten Frauen während der Friedensverhandlungen im Jahr 2006 nicht nur eine beobachtende Rolle, sondern setzten sich auch unermüdlich für die Berücksichtigung der Belange von Frauen ein.
Das Engagement der ugandischen Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der WPS-Agenda
In Uganda spielt die Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der WPS-Agenda. Die Organisation Women’s International Peace Centre (Peace Centre) und das Bündnis Coalition for Action on 1325 (CoACT 1325) setzen sich dafür ein, Frauen in politischen Entscheidungsprozessen zu Frieden und Sicherheit eine stärkere Stimme zu verleihen und ihre Rechte zu schützen.
Das Peace Centre arbeitet daran, geschlechtersensible Ansätze in alle Aktivitäten zu Frieden und Sicherheit zu integrieren. Latifah Namutebi, Beauftragte für strategische Partnerschaften und Interessensvertretung des Peace Centres, erklärt: „Wir schaffen eine Umgebung, in der nachhaltiger Frieden möglich ist, und die Beiträge von Frauen anerkannt und geschätzt werden. Zu diesem Zweck verstärken wir die Stimmen und die Macht von Frauen im Bereich der Friedensbildung durch Kapazitätsaufbau, Interessensvertretung und strategische Partnerschaften. Wir legen Wert auf ganzheitliches Wohlbefinden und führen Forschungen durch, um die spezifischen Erfahrungen von Frauen in Konflikt- und Post-Konfliktsituationen in Uganda zu dokumentieren, wo das Wissen über die WPS-Agenda häufig begrenzt ist.“. Das Peace Centre setzt auf gemeindebasierte Sensibilisierungskampagnen in lokalen Sprachen, um das Verständnis und die Lokalisierung der WPS-Agenda zu fördern.
„Frieden ist kein Projekt. Es ist ein fortlaufender Prozess.“
Ein erstes und zudem erfolgreiches Projekt von CoACT 1325 war die Einführung von Radiosendungen in lokalen Sprachen, die sich auf spezifische Themen und Interessen von Frauen und Mädchen konzentrierten. Frauen begannen, sich in Gruppen zu organisieren, um die Sendungen gemeinsam zu verfolgen, ihre eigenen Erfahrungen zu reflektieren und lokale Führungspersonen direkt mit ihren Forderungen zu konfrontieren.
Sowohl CoACT 1325 als auch das Peace Centre engagieren sich intensiv in der Entwicklung lokaler Aktionspläne zur WPS-Agenda. Diese Pläne werden in gemeinschaftsbasierten Workshops mit Vertreterinnen und Vertretern aus verschiedenen Bereichen, darunter das Ministerium für Gender, Arbeit und soziale Entwicklung, die lokale Verwaltung, die Polizei und die Jugend, erarbeitet. Robinah Rubimbwa, Gründerin und Geschäftsführerin von CoACT 1325, beschreibt den anfänglichen Ansatz des Bündnisses so: „Wir erkannten, dass das Leben von Frauen stark von den Männern in ihrem Umfeld beeinflusst wird – seien es kulturelle Führer, militärische Gruppen oder Leiter von Geflüchteten-Camps. Auch diese wollten wir miteinbeziehen.“ Ziel ist es, die Bedürfnisse und Sorgen der lokalen Bevölkerung sensibel zu verstehen und anzugehen. Rubimbwa erläutert: „Wir fragen zu Beginn: ‚Was hält euch nachts wach? Welche Sorgen habt ihr?‘ Solche Fragen sind Zugangspunkte, um Themen wie Geschlechtergerechtigkeit sensibel anzusprechen und den Impuls zur Entwicklung eines lokalen Aktionsplans zur WPS-Agenda zu setzen.“
Wie UN Women die NGOs in Uganda unterstützt
UN Women spielt eine zentrale Rolle als Hauptförderer dieser Initiativen und begleitet beide Organisationen kontinuierlich in ihren Prozessen. Durch regelmäßige Besuche und Reflexionstreffen vor Ort stellt UN Women sicher, dass die Bedürfnisse von Frauen in ländlichen Gebieten wahrgenommen und die Umsetzung der WPS-Agenda unterstützt werden.
Trotz der erzielten Fortschritte stehen beide Organisationen vor erheblichen Herausforderungen. Der Mangel an finanzieller Unterstützung ist eine der größten Hürden. „Frieden ist kein Projekt. Es ist ein fortlaufender Prozess“, betont Rubimbwa und verweist damit auf die Problematik begrenzter Förderzeiträume. Zudem kämpfe die WPS-Agenda in Uganda gegen tief verwurzelte patriarchale Normen und ein geringes öffent-liches Bewusst-sein für die Rolle von Frauen in Friedens-prozessen, sagt Latifah Namutebi vom Peace Centre. Rubimbwa bestätigt, dass es oft am politischen Willen mangele, Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, und berichtet von Versuchen aus der Vergangenheit, sie als Frauenrechtsaktivistin einzuschüchtern.
Diese Herausforderungen verdeutlichen die Bedeutung der WPS-Agenda, insbesondere in Bezug auf den Schutz von Frauenrechtsverteidigerinnen. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Umsetzung der Agenda von den Finanzierungsmöglichkeiten und der politischen Bereitschaft der jeweiligen Regierung abhängt. Trotz der Schwierigkeiten sehen beide Organisationen die WPS-Agenda als entscheidenden Fortschritt, der zur Rechenschaftspflicht gegenüber dem UN-Sicherheitsrat beiträgt. Die WPS-Agenda hilft, die Arbeit zur Geschlechtergerechtigkeit zu koordinieren und sicherzustellen, dass alle Bemühungen in die gleiche Richtung gehen – hin zu einem nachhaltigeren und gerechteren Frieden in Uganda.
Lea Schaefer